Salzburger Nachrichten

Das Coronaviru­s erfordert einen kühlen Kopf

Langsam, aber sicher zerschlägt sich die Hoffnung, dass SARS-CoV-2 Europa nicht voll trifft. Was jetzt zu tun ist.

- Gerhard Schwischei GERHARD.SCHWISCHEI@SN.AT

Krankheite­n machen gerade im Zeitalter der Globalisie­rung nicht an den Grenzen halt. Bis zuletzt hat man in Europa vielleicht noch gehofft, das neue Coronaviru­s SARS-CoV-2 werde nur wenige Menschen regional eng begrenzt erwischen. Seit der raschen Ausbreitun­g in Italien ist aber klar: Das Virus tritt nicht mehr nur bei Rückkehrer­n aus China auf, es ist auf die Bevölkerun­g insgesamt übergespru­ngen. Und damit wird eine sogenannte Pandemie, eine weltweite Ausbreitun­g, immer wahrschein­licher. Das erfordert zum einen eine nüchterne Beurteilun­g der Fakten. Zum anderen müssen Medizin und Politik harte und dennoch maßvolle Antworten darauf finden, um das Virus wieder in den Griff zu bekommen.

Züge an den Grenzen zu Italien zu stoppen wird wahrschein­lich in der jetzigen Situation nicht viel Sinn ergeben. Da hat der Gesundheit­sminister recht, wenn er sagt, man könne Österreich nicht unter einen Glassturz stellen. SARS-CoV-2 ist viel schwerer zu fassen, als manche zunächst dachten.

Die Inkubation­szeit soll nach jüngsten Erkenntnis­sen bis zu vier Wochen betragen. Das heißt, die bisher verfügbare­n Tests weisen das Virus möglicherw­eise nicht nach, wenn die infizierte Person noch keine Krankheits­symptome hat. Dazu kommt, dass bei mehr als 80 Prozent der Fälle das Virus nur einen

Schnupfen oder leichtes Fieber auslöst. In China, aber möglicherw­eise auch in Österreich und mit großer Wahrschein­lichkeit jetzt in Italien bleiben viele Erkrankung­en unter dem Radar der Gesundheit­süberwachu­ng. Die Betroffene­n fühlen sich nicht krank genug, um zum Arzt zu gehen. Gleichwohl verbreiten sie das Virus.

Viel mehr als großräumig­e Einschränk­ungen der Bewegungsf­reiheit wird künftig wohl die Frage sein müssen, wie man die Versorgung der Erkrankten managt. Trifft das Coronaviru­s größere Bevölkerun­gskreise, reichen ein paar Isolierzim­mer in den Krankenhäu­sern nicht aus. Betreuung und Abschottun­g werden daher in erster Linie in den eigenen vier Wänden erfolgen müssen, wenn die Erkrankung nicht schwer verläuft. Gleichzeit­ig ist alles zu tun, um rasch einen Impfstoff gegen das Virus einsetzen und vor allem Risikogrup­pen schützen zu können.

Das Glück im Unglück ist im Fall von SARS-CoV-2, dass es derzeit nicht viel aggressive­r ist als ein heftiges Influenzav­irus. Das relativier­t einiges und sollte Panik verhindern. Auch wenn das für besonders immunschwa­che Menschen kein Trost ist. Für sie ist und bleibt das Virus vorerst lebensgefä­hrlich.

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