Das Coronavirus erfordert einen kühlen Kopf
Langsam, aber sicher zerschlägt sich die Hoffnung, dass SARS-CoV-2 Europa nicht voll trifft. Was jetzt zu tun ist.
Krankheiten machen gerade im Zeitalter der Globalisierung nicht an den Grenzen halt. Bis zuletzt hat man in Europa vielleicht noch gehofft, das neue Coronavirus SARS-CoV-2 werde nur wenige Menschen regional eng begrenzt erwischen. Seit der raschen Ausbreitung in Italien ist aber klar: Das Virus tritt nicht mehr nur bei Rückkehrern aus China auf, es ist auf die Bevölkerung insgesamt übergesprungen. Und damit wird eine sogenannte Pandemie, eine weltweite Ausbreitung, immer wahrscheinlicher. Das erfordert zum einen eine nüchterne Beurteilung der Fakten. Zum anderen müssen Medizin und Politik harte und dennoch maßvolle Antworten darauf finden, um das Virus wieder in den Griff zu bekommen.
Züge an den Grenzen zu Italien zu stoppen wird wahrscheinlich in der jetzigen Situation nicht viel Sinn ergeben. Da hat der Gesundheitsminister recht, wenn er sagt, man könne Österreich nicht unter einen Glassturz stellen. SARS-CoV-2 ist viel schwerer zu fassen, als manche zunächst dachten.
Die Inkubationszeit soll nach jüngsten Erkenntnissen bis zu vier Wochen betragen. Das heißt, die bisher verfügbaren Tests weisen das Virus möglicherweise nicht nach, wenn die infizierte Person noch keine Krankheitssymptome hat. Dazu kommt, dass bei mehr als 80 Prozent der Fälle das Virus nur einen
Schnupfen oder leichtes Fieber auslöst. In China, aber möglicherweise auch in Österreich und mit großer Wahrscheinlichkeit jetzt in Italien bleiben viele Erkrankungen unter dem Radar der Gesundheitsüberwachung. Die Betroffenen fühlen sich nicht krank genug, um zum Arzt zu gehen. Gleichwohl verbreiten sie das Virus.
Viel mehr als großräumige Einschränkungen der Bewegungsfreiheit wird künftig wohl die Frage sein müssen, wie man die Versorgung der Erkrankten managt. Trifft das Coronavirus größere Bevölkerungskreise, reichen ein paar Isolierzimmer in den Krankenhäusern nicht aus. Betreuung und Abschottung werden daher in erster Linie in den eigenen vier Wänden erfolgen müssen, wenn die Erkrankung nicht schwer verläuft. Gleichzeitig ist alles zu tun, um rasch einen Impfstoff gegen das Virus einsetzen und vor allem Risikogruppen schützen zu können.
Das Glück im Unglück ist im Fall von SARS-CoV-2, dass es derzeit nicht viel aggressiver ist als ein heftiges Influenzavirus. Das relativiert einiges und sollte Panik verhindern. Auch wenn das für besonders immunschwache Menschen kein Trost ist. Für sie ist und bleibt das Virus vorerst lebensgefährlich.