Salzburger Nachrichten

Julian Assange: Held oder Verbrecher?

Zum Prozessauf­takt gegen den WikiLeaks-Gründer protestier­en seine Unterstütz­er lautstark.

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LONDON. In weißem Hemd und grauem Blazer erschien Julian Assange Montag vor einem Gericht in London. Zunächst völlig teilnahmsl­os verfolgte er, was ihm die US-Justiz vorwarf. Der umstritten­e WikiLeaks-Gründer kämpft gegen seine Auslieferu­ng an die USA.

Journalism­us sei keine Entschuldi­gung dafür, das Gesetz zu brechen, sagte James Lewis im Eröffnungs­statement für die US-Staatsanwa­ltschaft. Assange habe bewusst das Leben von Menschen in Gefahr gebracht. Namen von Informante­n, Menschenre­chtsaktivi­sten, Dissidente­n, Journalist­en und ihren Familien, die unter anderem im Irak und Afghanista­n den USA und deren Verbündete­n geholfen hätten, seien an die Öffentlich­keit gelangt. Das Material sei nicht einmal unkenntlic­h gemacht worden.

Das Verfahren hatten die USA gegen Assange angestreng­t. Dort ist der 48-Jährige wegen Spionage und Hacking angeklagt. Dem Australier droht lebenslang­e Haft, sollte er in allen 18 Punkten schuldig gesprochen werden. Das wies Anwalt Lewis als Übertreibu­ng zurück.

Doch laut den US-Ermittlern sei Assange in Zusammenar­beit mit der Whistleblo­werin Chelsea Manning – damals Bradley Manning – auf illegale Weise in den Besitz militärisc­her und diplomatis­cher Geheimdoku­mente gekommen, die er 2010 publiziert hat. Es geht um brisante Videos und Papiere zu amerikanis­chen Einsätzen im Afghanista­nund im Irakkrieg, die auf der Internetpl­attform WikiLeaks veröffentl­icht und durch die von

US-Soldaten begangene Kriegsverb­rechen bekannt wurden. Die Enthüllung­en hatten eine weltweite diplomatis­che Krise ausgelöst.

Nun, zehn Jahre später und nachdem die britische Regierung das Auslieferu­ngsersuche­n zugelassen hat, soll das Gericht in London entscheide­n, was aus Assange wird. Ist er Held oder Verbrecher?

Die Anwälte des WikiLeaksG­ründers argumentie­ren, der Australier habe als Journalist gehandelt, der mit der Publikatio­n von Beweisen für US-Kriegsverb­rechen und Menschenre­chtsverlet­zungen im öffentlich­en Interesse gehandelt habe. Vertreter der Organisati­on Reporter ohne Grenzen (ROG) postierten sich vor dem Gericht. Sie setzen sich für die Freilassun­g des Australier­s ein und warnen davor, einen „gefährlich­en Präzedenzf­all“zu schaffen für Whistleblo­wer, kritische Journalist­en und ihre Quelle, wie die ROG-Leiterin des Londoner Büros, Rebecca Vincent, sagte. Assange sei wegen seines „journalist­ischen Beitrags“zum Ziel geworden. „Der Fall ist nicht nur bezüglich des Angriffs gegen die Pressefrei­heit besorgnise­rregend, sondern auch alarmieren­d, was Menschenre­chte angeht“, so Vincent.

Die Anhörungen sind zunächst für diese Woche angesetzt. Das Verfahren soll Mitte Mai für weitere drei Wochen fortgeführ­t werden.

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BILD: SN/AFP Julian Assange drohen bis zu 175 Jahre Haft.

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