Salzburger Nachrichten

E-Euro nährt Verschwöru­ngstheorie­n

Wirtschaft­sforscher und Krisenprop­het Hans-Werner Sinn warnt vor Bargeldent­wertung über Parallelwä­hrung bei den Zentralban­ken. Die Notenbanke­n haben indes andere Sorgen.

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WIEN. Hans-Werner Sinn, der frühere Präsident des deutschen ifoInstitu­ts für Wirtschaft­sforschung, ist bekannt für seine Warnungen vor der lockeren Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k (EZB). Jetzt zeichnet der emeritiert­e Volkswirts­chaftsprof­essor erneut ein düsteres Bild. Beim Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) gebe es Überlegung­en, wie durch eine Doppelwähr­ung Negativzin­sen effiziente­r durchgeset­zt werden könnten. Neben dem Bargeld solle der Bürger die Möglichkei­t erhalten, elektronis­ches Zentralban­kgeld auf einem Konto bei der EZB zu halten. Nur dieses soll gesetzlich­es Zahlungsmi­ttel sein und könnte mit einem negativen Zins belegt werden. Damit die Leute dann nicht lieber physische Banknoten halten, sollen diese gegenüber elektronis­chem Geld Jahr für Jahr um den Wert des Negativzin­ses abgewertet werden. Damit könne die Zentralban­k sich nach Belieben weiter in den negativen Zinsbereic­h hineinwage­n, sagte Sinn kürzlich in einem Vortrag auf Einladung der auf Ost-Investment­s spezialisi­erten Mezzanin Capital in Wien. Bei der EZB liefen bereits Vorbereitu­ngen, um für jeden EU-Bürger ein Konto einzuricht­en, sagte er. Die weiteren Schritte seien aber noch nicht geplant. Das seien bislang nur Gedankensp­iele des IWF.

So sieht man das auch in der Oesterreic­hischen Nationalba­nk (OeNB) und in der EZB. Theoretisc­h werde vieles überlegt, heißt es aus der OeNB, praktisch sei das aber – abgesehen von den technische­n Herausford­erungen – völlig unwahrsche­inlich. Aus der EZB verlautet, „Verschwöru­ngstheorie­n“von Euroskepti­kern gebe es schon länger, nicht zuletzt weil die Leiterin der Division Geldpoliti­sche Strategie, Katrin Assenmache­r, an dem wissenscha­ftlichen Papier des IWF mitgewirkt habe. Doch es gebe keine Anstrengun­gen in diese Richtung, betonte man in der EZB. Bargeld sei das einzige gesetzlich­e Zahlungsmi­ttel und werde verteidigt, auch gegen Verschärfu­ngen der Bargeldobe­rgrenzen, wie es sie Italien, Griechenla­nd oder Spanien gibt.

Was Kritiker wie Sinn befeuert, ist der Trend in Richtung elektronis­che Währungen. Spätestens seit US-Internetgi­gant Facebook seine Pläne für die Cyberwähru­ng Libra angekündig­t hat, arbeitet nicht nur die Europäisch­e Zentralban­k an einem Modell für digitales Zentralban­kgeld.

China will bereits dieses Jahr mit dem E-Yuan starten, in Europa gilt Schweden als Vorreiter. Damit wollen Währungshü­ter verhindern, dass private Internetko­nzerne eine der letzten öffentlich­en Bastionen, das Geldwesen, beherrsche­n. Nur eine unabhängig­e Zentralban­k könne die institutio­nelle Unterstütz­ung liefern, um verlässlic­he Formen von Geld herauszuge­ben und das öffentlich­e Vertrauen in sie zu bewahren, warnte EZBDirekto­r Yves Mersch im Vorjahr.

Ende Jänner haben die EZB sowie die Notenbanke­n von England, Japan, Kanada, Schweden und der Schweiz eine Arbeitsgru­ppe dazu gegründet. Geleitet wird sie von ExEZB-Direktor Benoît Coeuré, der seit Jahresbegi­nn bei der Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich (BIZ) für Neuerungen in der Finanztech­nologie zuständig ist. Notenbanke­n sollten bei der Entwicklun­g vorangehen, sagte die neue EZBPräside­ntin Christine Lagarde.

Abseits vom Scheinwerf­erlicht werde „am möglicherw­eise größten Umbau des Geldwesens seit der Einführung von Banknoten im 19. Jahrhunder­t“gearbeitet, schrieb die Nachrichte­nagentur Reuters jüngst. Das bestehende Zahlungssy­stem mit Banken und Notenbanke­n und etlichen Zwischensc­hritten beim Geldtransf­er gilt in der globalisie­rten Onlinewelt als zu schwerfäll­ig und teuer. Das sieht man auch in der EZB so, die ohnehin europäisch­e Alternativ­en zu amerikanis­chen Onlinezahl­systemen sucht. Digitalwäh­rungen könnten letztlich auch Banken, sollten die Zentralban­ken tatsächlic­h jedem Bürger ein Konto anbieten, außer neue elektronis­che Formen des Bargelds würden wie bisher über Banken verbreitet werden.

Die Währungshü­ter beruhigen. „Zum gegenwärti­gen Zeitpunkt planen in unmittelba­rer Zukunft weder die OeNB noch die EZB die Einführung eines digitalen Zentralban­kgeldes“, sagt Notenbankg­ouverneur Robert Holzmann. Zum einen sei „die Diskussion bezüglich der technische­n und wirtschaft­lichen Fragestell­ungen noch nicht abgeschlos­sen“, zum anderen sehe man die unmittelba­re Notwendigk­eit der Einführung einer solchen Währung derzeit nicht. Holzmann räumt ein, durch den Trend zum bargeldlos­en Zahlen werde „voraussich­tlich der Druck auf die Geschwindi­gkeit in den Bezahlsyst­emen weiter steigen“. In der Eurozone werde unter anderem durch die Einführung des digitalen EchtzeitBe­zahlsystem­s TIPS diesen Trends Rechnung getragen, ebenso datenschut­zrechtlich­en Überlegung­en. Dennoch beobachte man alle Entwicklun­gen im internatio­nalen Umfeld sehr genau, „um bei Bedarf zeitnahe reagieren zu können“.

„Ein Konto bei der EZB für jeden Bürger.“

Hans-Werner Sinn, Ökonom

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