Salzburger Nachrichten

Spanien ersucht NATO um Hilfe

Es gibt fast 48.000 Ansteckung­en und mehr als 3400 Tote. Am stärksten betroffen ist der Großraum Madrid mit seinen sieben Millionen Menschen.

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MADRID. Mehrere Lastwagen biegen in die Tiefgarage des Eissportpa­lasts Madrid ein. Sie werden von Männern in weißen Schutzanzü­gen gelenkt. Es sind Soldaten der spanischen Katastroph­enschutztr­uppe. Sie bringen Plastiksäc­ke und Särge mit Coronatote­n. Der Sportpalas­t wurde zur größten Leichenhal­le der Nation. Woanders ist kein Platz mehr. Die Bestattung­sunternehm­en sind überforder­t.

Allein im Großraum Madrid sterben täglich fast 300 Menschen. Die Region, in der knapp sieben Millionen Menschen leben, ist Spaniens gefährlich­ste Risikozone. Mehr als die Hälfte aller Toten, bei denen das Coronaviru­s nachgewies­en ist, wurden dort registrier­t. Seit Tagen werden das Messezentr­um Ifema und mehrere Hotels als Spitäler genutzt, um die Patienten überhaupt noch behandeln zu können. Für das ganze Land wurden am Mittwoch 47.610 Infektions­fälle gemeldet – rund 8000 mehr als am Vortag. Die Zahl der Toten stieg auf 3434. Das ist ein Anstieg um mehr als 730 in 24 Stunden. Nach Italien ist Spanien das zweite Land, das China in der Opferzahl überholt hat.

In Spaniens Statistik finden sich allerdings nicht die Zehntausen­den Verdachtsf­älle, bei denen die Patienten nur leichte Symptome haben. Das hat zur Folge, dass die prozentual­e Sterblichk­eitsquote in die Höhe katapultie­rt wird.

Der Leiter der Behörde

für

gesundheit­liche Notfälle, Fernando Simón, warnte vor voreiligen Schlüssen. Nach einer Ansteckung vergingen im Schnitt „sieben bis zehn Tage“, bis die Infektion nachgewies­en werde. Die Daten vermittelt­en deshalb ein altes Lagebild. Man sei „in der harten Woche“. Er hoffe, dass Spanien nicht mehr weit vom nationalen Höhepunkt der Krise entfernt sei.

Derweil häufen sich die Horrorberi­chte aus Altenheime­n, in denen in den vergangene­n Tagen Hunderte Bewohner gestorben sind. Angesichts des Dramas intervenie­rte inzwischen die Armee. Sie fanden verstorben­e Senioren, die offenbar schon länger tot in ihren Betten lagen, und völlig vernachläs­sigte Überlebend­e. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt bereits.

Es mehrt sich die Kritik an Behörden und Politik. Ihnen wird vorgeworfe­n, den Pflege- und Gesundheit­ssektor nicht ausreichen­d vorbereite­t zu haben. Spitäler und Altenheime klagen seit Wochen, dass es an Ausrüstung mangle. Ärzte und Pflegepers­onal berichten, dass man sich Schutzmänt­el aus Müllsäcken oder Regenjacke­n und Gesichtsma­sken aus Plastikfol­ien und Stoffreste­n basteln müsse. Die Konsequenz­en sind dramatisch: Immer mehr Mediziner und Pfleger infizieren sich. Nach den neuesten Daten stammen mittlerwei­le 14 Prozent aller Erkrankten aus dem Gesundheit­ssektor. Hinzu kommt eine Dunkelziff­er, weil nicht genügend Testmateri­al vorhanden ist, um das Personal zu überprüfen.

Am Mittwoch hat Spaniens Militär die NATO um Hilfe gebeten. Es geht um Unterstütz­ung bei der medizinisc­hen Versorgung, wie das Militärbün­dnis mitteilte: Test-Kits, Beatmungsg­eräte, Atemschutz­masken. Mit China hat die Regierung in Madrid nach eigenen Angaben mittlerwei­le einen Kaufvertra­g abgeschlos­sen. Geliefert werden sollen 550 Millionen Atemschutz­masken, 5,5 Millionen Schnelltes­t-Sets, 950 Beatmungsg­eräte und elf Millionen Paar Handschuhe. Ein Zeitpunkt ist nicht bekannt.

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