Europa ringt bei Hilfen um eine Linie
Für gemeinsame Anleihen gibt es auch in der Krise bisher keinen Konsens.
Im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronaviruskrise suchen die EU-Staaten weiter einen Kompromiss. Zur Diskussion stehen neue Kreditlinien des Eurorettungsschirms ESM, wie Eurogruppen-Chef Mário Centeno nach einer Konferenz der EU-Finanzminister sagte. Entscheidungen werden am Donnerstag bei einem Videogipfel der EU-Staatsund Regierungschefs erwartet.
Über den zusätzlichen Einsatz des ESM besteht aber laut Centeno noch Diskussionsbedarf. Erwogen werden vorsorgliche Kreditlinien aus dem ESM. Es gehe um eine Größenordnung von zwei Prozent der Wirtschaftskraft des Mitgliedsstaates, der sie benötige. „Die Diskussion hat erst begonnen, es bleibt noch Arbeit zu tun“, sagte Centeno.
ESM-Chef Klaus Regling sagte, solche vorsorgliche Kreditlinien seien in der Krise ein geeignetes
Mittel. Der Eurorettungsschirm hat laut Regling noch 410 Mrd. Euro für Kredite zur Verfügung. Würden die Kredite genutzt, könne das Geld direkt in den Kampf gegen die Gesundheitsund Wirtschaftskrise gesteckt werden. Die Größenordnung von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sei „ein substanzieller Betrag“, sagte Regling.
Die ebenfalls diskutierten sogenannten Corona-Bonds scheinen indes vorerst chancenlos. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat laut Insidern den Euro-Finanzministern nahegelegt, ernsthaft eine einmalige Ausgabe gemeinsamer „Coronaanleihen“zu erwägen, sagten zwei mit der Lage vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters.
Im Kreis der Eurostaaten sind gemeinsame Anleihen derzeit nicht konsensfähig. Deutschland lehnt sie kategorisch ab. Der frühere Vorsitzende der Euro-Arbeitsgruppe, Thomas Wieser, ließ im Ö1-„Morgenjournal“zwar eine gewisse Sympathie für gemeinschaftliche Instrumente erkennen, es sei aber keine Zustimmung für Anleihen in Höhe von Hunderten Milliarden absehbar, die gemeinschaftlich zurückgezahlt werden müssten.
Laut Wieser ist die Eurozone aber für die jetzige Krise besser vorbereitet als für die Finanzkrise 2008. Die Politik habe „schneller und zielgerichteter reagiert“, zudem sei die EZB sehr krisenerprobt und überdies sei nun der ESM verfügbar. „Aus derzeitiger Sicht und solange die EZB macht, was sie macht, und das wird sie tun, sehe ich keinerlei Gefahr für eine Schuldenkrise in der Eurozone“, sagte Wieser.