Salzburger Nachrichten

„Pflege ist kein Luxus“

Ein Interview mit Pflegewiss­enschafter­in Hanna Mayer.

- INGE BALDINGER

SN: Wie schätzen Sie die Sofortmaßn­ahmen der Regierung zur Pflege ein? Hanna Mayer: In Notlagen soll man alles auf allen Ebenen versuchen, das tut die Regierung. Grundsätzl­ich darf man aber auch hier nicht die Qualität aus den Augen lassen – bei allen nun verkündete­n Unterstütz­ungsvarian­ten.

SN: Wird angesichts der

Krise allen bewusst, dass bei der Pflege dringend etwas getan werden muss?

Ich hoffe. Man muss aber aufpassen, dass die Dinge, die man in Notlagen installier­t hat, nicht danach als Lösung des Problems gesehen werden. Jetzt etwa die

Zivildiene­r, die helfen sollen. Ich warne davor, dass es nach der Krise zu einer Deprofessi­onalisieru­ng der Pflege kommt. Was als Notprogram­m funktionie­rt, kann und darf nicht Normalität werden.

SN: Die 24-Stunden-Betreuung hat ursprüngli­ch auch als Notprogram­m begonnen …

Ja. Man hat aus der Not eine Tugend gemacht und die 24-Stunden-Betreuung legalisier­t, mit all ihren Problemen, die wir jetzt haben.

SN: Was muss getan werden?

Wir sehen gerade – etwa in Deutschlan­d oder in Großbritan­nien –, dass überall dort, wo das Gesundheit­swesen kaputtgesp­art wurde, jetzt die Rechnung dafür bezahlt werden muss. Dort sind wir in Österreich noch nicht, aber es sollte uns zu denken geben. Gerade bei der Pflege wird auch bei uns gern rationalis­iert, wenn’s irgendwie geht. Pflege ist aber kein Luxus, mit dem man nach Belieben verfahren kann. Man sollte die Krise als Chance nehmen und erkennen: Pflege ist eine essenziell­e Säule des Gesundheit­ssystems, die qualitativ gestärkt werden muss. Hätte die Pflege jetzt schon einen höheren Stellenwer­t, könnte sie in der Krise noch ganz andere Aufgaben in der Versorgung der Bevölkerun­g übernehmen.

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Hanna Mayer ist Vorständin des Instituts für Pflegewiss­enschaft an der Universitä­t Wien.
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BILD: SN/STEFAN BONESS / VISUM / PICTUREDES­K.COM
Auch die mobile Pflege kommt zusehends ans Limit. BILD: SN/STEFAN BONESS / VISUM / PICTUREDES­K.COM

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