Ein Schiff als Insel der Seligen
Das Coronavirus gibt es in der Welt von Christine Winter nicht. Die Künstlerin ist Teil der Crew eines Kreuzfahrtschiffs, das nirgends anlegen darf.
SALZBURG. Gibt es überhaupt noch einen Ort, an dem man ohne Angst vor dem Coronavirus Freunden um den Hals fallen, gemeinsam tanzen und feiern oder zum Friseur gehen kann? Ja, so einen Ort gibt es und die in Salzburg lebende Schauspielerin Christine Winter ist dort. Sie ist Teil einer 800-köpfigen Crew auf einem Kreuzfahrtschiff, das wegen der Grenzschließungen in keinem Hafen mehr anlegen kann. Passagiere sind keine mehr an Bord – und auch das Coronavirus ist nicht mit von der Partie. Das Schiff ist quasi eine Art Arche Noah, „aber wirklich beruhigend ist die Situation trotzdem nicht“, schildert die 35-Jährige gegenüber den „Salzburger Nachrichten“. Denn sie weiß nicht, wie es weitergeht und wann sie das Schiff verlassen kann.
Seit vor zwei Wochen die rund 2800 Passagiere ausgestiegen sind, ist das „Geisterschiff“, wie Christine Winter es nennt, in internationalen Gewässern vor den zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln unterwegs. „Uns geht es sehr gut hier. Es ist fantastisch, Teil einer so großen Crew aus 46 Nationen zu sein. Diese Vielfalt an Menschen macht unheimlich Spaß – und es ist ein sehr höfliches Miteinander“, schildert Christine Winter, die als Schauspielerin Teil der Entertainment-Besatzung ist. „Der Zusammenhalt ist toll. Jeder trägt etwas dazu bei, dass wir hier Spaß haben und uns wohlfühlen – wir haben Sänger, Tänzer, Schauspieler und Akrobaten und jeder gibt sein Bestes. Jeden Tag ist ein anderes Restaurant geöffnet, wir gehen zur Massage, zum Friseur, baden im Pool oder freuen uns darüber, wenn die Küche einen ,healthy day‘ mit gesundem Essen ausruft.“Als Crewmitglied packt Christine Winter aber auch an Deck mit an. Sie putzt Stühle, hilft beim Instandsetzen des Pools und dabei, das Schiff auf Vordermann zu halten.
Wie sehr das Coronavirus das Leben überall sonst auf der Welt verändert hat, kann Christine Winter nur schwer einordnen. „Man hört so viel Widersprüchliches über die Medien und alles ändert sich so schnell. Nachdem wir hier aus so vielen Nationen sind und jedes Land anders mit dem Virus umgeht, ist es schwierig, sich ein Bild zu machen.“
Dass in Deutschland – Christine Winter stammt aus der Schwäbischen Alb – Zusammenkünfte von mehr als zwei Personen verboten sind, weiß sie, und auch, dass alle Grenzen geschlossen sind. Deshalb ist sie auch als einzige deutsche Staatsbürgerin noch an Bord. „Am Mittwoch durften 100 deutsche Crewmitglieder in Teneriffa von Bord gehen – sie wurden mit dem Flugzeug nach Frankfurt transportiert“, berichtet sie. Und: „Hätte ich gesicherte Strukturen, wäre ich mit ihnen ausgestiegen.“Denn ob sie von dort aus weiter nach Salzburg hätte reisen dürfen, konnte ihr niemand sagen. „Für die Dauer meines Engagements am Schiff habe ich meine Wohnung in Salzburg aufgegeben und daher habe ich jetzt nicht einmal einen Meldezettel.“
Bis zur Abreise der deutschen Crewmitglieder sei es auf dem Schiff sehr lustig gewesen. Seither habe sich die Stimmung verändert. „Wir mussten wieder raus aufs offene Meer. Die Stimmung ist angespannt – auch ohne Coronavirus. Niemand weiß, wann wir wieder in einem Hafen anlegen dürfen und wie viele Tage wir bis dahin Schleifen auf hoher See fahren. Die Bestimmungen da draußen ändern sich ja fast stündlich.“
„Auswirkungen des Coronavirus kennen wir nur aus den Medien.“