Fußball erwartet Neuordnung
Das „System Fußball“wird von den Verantwortlichen der Branche nun selbst heftig hinterfragt. Den Anfang machte der mächtigste Fußballfunktionär der Welt. Das hat berechtigte Gründe.
Das „System Fußball“wird von den Verantwortlichen der Branche nun selbst heftig hinterfragt. Warum das berechtigte Gründe hat.
Gianni Infantino glänzt sonst durch markige Sprüche und Unbeugsamkeit, wenn es um seine Konzepte für den internationalen Fußball geht. Das Wort des Präsidenten des Internationalen Fußballverbands FIFA ist Gesetz. Kritik prallt an ihm ab. Und doch ist der Schweizer nachdenklich geworden, ob der Weg des Fußballs in seiner Gesamtheit stimmt. Zweifel, von vielen schon länger geäußert – Stichwort Gigantismus oder Gier –, werden konkreter. Und auch formuliert. So meinte Infantino bei einem Interview zu seinem 50er: „Die Coronavirus-Pandemie ist eine Chance, den Fußball zu verändern. Vielleicht braucht es weniger Turniere, dafür interessantere. Vielleicht braucht es weniger Spiele, um die Gesundheit der Spieler zu schützen“, so Infantino. In seinem Universum scheint er vergessen oder verdrängt zu haben, dass er es war, der immer wieder zu neuen Bewerben oder einer Erweiterung der Fußball-WM in Katar 2022 auf 48 Mannschaften drängte – 2022 ohne Erfolg, es wird mit 32 Teams gespielt werden.
Infantino hat seine Aussagen im Vorfeld einer entscheidenden Woche klug gewählt: Viele Ligen entscheiden in den nächsten Tagen, wie und ob die Saison weitergespielt werden soll. Etwa in Italien oder Deutschland. Der Europäische Fußballverband UEFA will heute, Mittwoch, beraten, in welcher Form Champions League und Europa League absolviert werden können.
Die Fußballwelt steht vor einer gefühlten Neuordnung. Das Coronavirus stellt alles auf den Kopf. Neben der Ungewissheit in den Ligen wird auch der Transfermarkt seine großen Dellen bekommen. „Die Situation könnte dazu führen, dass wieder mehr Rationalität ins Geschäft kommt“, meinte etwa Bayern Münchens Vorstandschef KarlHeinz Rummenigge und ergänzte: „Der Transfermarkt wird im Sommer Bremsspuren zeigen.“
Wann der Fußball in Europa wieder in den Stadien rollt, das weiß aktuell niemand. Vor Mitte Mai, wenn überhaupt, wird die Saison nicht wieder fortgeführt werden können. Und dann auch nur mit sogenannten Geisterspielen ohne Zuschauer im Stadion. In Deutschland glaubt man auch fest daran, dass es so funktionieren könnte. Das Szenario im Land des vierfachen Weltmeisters kann auch in Österreich greifen. Um den Schaden wegen möglicher ausbleibender Einnahmen etwas in Grenzen zu halten, würde es eine Möglichkeit geben: Die Clubs erhalten schon aktuell einen Teil der TV-Gelder der nächsten Saison.
Wie auch immer, die Lage ist auch für die TV-Stationen nicht gut. Auch diese und viele ihrer Mitarbeiter verlieren durch die Coronakrise und die Spielpause ohne die Liveübertragungen im TV viel Geld. Sky überträgt in Österreich die Spiele der Champions League und die Partien der Bundesliga. Der ORF besitzt die Fernsehrechte für das österreichische Nationalteam und an der Europameisterschaft, die bereits auf 2021 verschoben worden ist. Puls 4 hätte in den nächsten Wochen noch die entscheidenden Spiele in der Europa League mit dem LASK gezeigt. Jetzt ist Stillstand angesagt und bei vielen Mitarbeitern der einzelnen TV-Stationen herrscht Unsicherheit. Denn nur eine Minderheit der Mitarbeiter, die nötig sind, um eine Liveübertragung zu organisieren und durchzuführen, ist fix angestellt. Viele von ihnen werden meist nur nach Einsätzen entlohnt. Findet in der heimischen Liga kein Spiel statt, dann überträgt Sky nicht live und es gibt kein Geld.
Einbußen werden auch Sky und der Streamingdienst, der Sportsender DAZN, der die Spiele der Ligen aus Italien, Spanien und Frankreich zum großen Teil live überträgt, hinnehmen müssen. Ohne Liveübertragungen sind die Abos für den Fußballfan aktuell nicht viel wert. Schon möglich, dass nicht wenige Kunden jetzt überlegen, ihre Abos zeitnah zu kündigen. „Wir gehen zurzeit davon aus, dass diverse Veranstaltungen lediglich verschoben wurden. Sie werden nach unserem derzeitigen Kenntnisstand wahrscheinlich zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt. Selbstverständlich wird Sky dann live übertragen“, teilte Sky Österreich mit und zieht auch die Möglichkeit in Betracht, dass es zu Preisnachlässen kommen könnte.
Werbeeinnahmen entgehen den TV-Anstalten aber auf alle Fälle. Nach SN-Informationen kostet eine Werbeeinschaltung im ORF über 30 Sekunden knapp über 3000 Euro. Und der ORF überträgt einmal für längere Zeit kein Spiel der Nationalmannschaft.
„Rationalität wird zurückkommen.“
Karl-Heinz Rummenigge