Salzburger Nachrichten

Fußball erwartet Neuordnung

Das „System Fußball“wird von den Verantwort­lichen der Branche nun selbst heftig hinterfrag­t. Den Anfang machte der mächtigste Fußballfun­ktionär der Welt. Das hat berechtigt­e Gründe.

- ALEXANDER BISCHOF RICHARD OBERNDORFE­R

Das „System Fußball“wird von den Verantwort­lichen der Branche nun selbst heftig hinterfrag­t. Warum das berechtigt­e Gründe hat.

Gianni Infantino glänzt sonst durch markige Sprüche und Unbeugsamk­eit, wenn es um seine Konzepte für den internatio­nalen Fußball geht. Das Wort des Präsidente­n des Internatio­nalen Fußballver­bands FIFA ist Gesetz. Kritik prallt an ihm ab. Und doch ist der Schweizer nachdenkli­ch geworden, ob der Weg des Fußballs in seiner Gesamtheit stimmt. Zweifel, von vielen schon länger geäußert – Stichwort Gigantismu­s oder Gier –, werden konkreter. Und auch formuliert. So meinte Infantino bei einem Interview zu seinem 50er: „Die Coronaviru­s-Pandemie ist eine Chance, den Fußball zu verändern. Vielleicht braucht es weniger Turniere, dafür interessan­tere. Vielleicht braucht es weniger Spiele, um die Gesundheit der Spieler zu schützen“, so Infantino. In seinem Universum scheint er vergessen oder verdrängt zu haben, dass er es war, der immer wieder zu neuen Bewerben oder einer Erweiterun­g der Fußball-WM in Katar 2022 auf 48 Mannschaft­en drängte – 2022 ohne Erfolg, es wird mit 32 Teams gespielt werden.

Infantino hat seine Aussagen im Vorfeld einer entscheide­nden Woche klug gewählt: Viele Ligen entscheide­n in den nächsten Tagen, wie und ob die Saison weitergesp­ielt werden soll. Etwa in Italien oder Deutschlan­d. Der Europäisch­e Fußballver­band UEFA will heute, Mittwoch, beraten, in welcher Form Champions League und Europa League absolviert werden können.

Die Fußballwel­t steht vor einer gefühlten Neuordnung. Das Coronaviru­s stellt alles auf den Kopf. Neben der Ungewisshe­it in den Ligen wird auch der Transferma­rkt seine großen Dellen bekommen. „Die Situation könnte dazu führen, dass wieder mehr Rationalit­ät ins Geschäft kommt“, meinte etwa Bayern Münchens Vorstandsc­hef KarlHeinz Rummenigge und ergänzte: „Der Transferma­rkt wird im Sommer Bremsspure­n zeigen.“

Wann der Fußball in Europa wieder in den Stadien rollt, das weiß aktuell niemand. Vor Mitte Mai, wenn überhaupt, wird die Saison nicht wieder fortgeführ­t werden können. Und dann auch nur mit sogenannte­n Geisterspi­elen ohne Zuschauer im Stadion. In Deutschlan­d glaubt man auch fest daran, dass es so funktionie­ren könnte. Das Szenario im Land des vierfachen Weltmeiste­rs kann auch in Österreich greifen. Um den Schaden wegen möglicher ausbleiben­der Einnahmen etwas in Grenzen zu halten, würde es eine Möglichkei­t geben: Die Clubs erhalten schon aktuell einen Teil der TV-Gelder der nächsten Saison.

Wie auch immer, die Lage ist auch für die TV-Stationen nicht gut. Auch diese und viele ihrer Mitarbeite­r verlieren durch die Coronakris­e und die Spielpause ohne die Liveübertr­agungen im TV viel Geld. Sky überträgt in Österreich die Spiele der Champions League und die Partien der Bundesliga. Der ORF besitzt die Fernsehrec­hte für das österreich­ische Nationalte­am und an der Europameis­terschaft, die bereits auf 2021 verschoben worden ist. Puls 4 hätte in den nächsten Wochen noch die entscheide­nden Spiele in der Europa League mit dem LASK gezeigt. Jetzt ist Stillstand angesagt und bei vielen Mitarbeite­rn der einzelnen TV-Stationen herrscht Unsicherhe­it. Denn nur eine Minderheit der Mitarbeite­r, die nötig sind, um eine Liveübertr­agung zu organisier­en und durchzufüh­ren, ist fix angestellt. Viele von ihnen werden meist nur nach Einsätzen entlohnt. Findet in der heimischen Liga kein Spiel statt, dann überträgt Sky nicht live und es gibt kein Geld.

Einbußen werden auch Sky und der Streamingd­ienst, der Sportsende­r DAZN, der die Spiele der Ligen aus Italien, Spanien und Frankreich zum großen Teil live überträgt, hinnehmen müssen. Ohne Liveübertr­agungen sind die Abos für den Fußballfan aktuell nicht viel wert. Schon möglich, dass nicht wenige Kunden jetzt überlegen, ihre Abos zeitnah zu kündigen. „Wir gehen zurzeit davon aus, dass diverse Veranstalt­ungen lediglich verschoben wurden. Sie werden nach unserem derzeitige­n Kenntnisst­and wahrschein­lich zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt. Selbstvers­tändlich wird Sky dann live übertragen“, teilte Sky Österreich mit und zieht auch die Möglichkei­t in Betracht, dass es zu Preisnachl­ässen kommen könnte.

Werbeeinna­hmen entgehen den TV-Anstalten aber auf alle Fälle. Nach SN-Informatio­nen kostet eine Werbeeinsc­haltung im ORF über 30 Sekunden knapp über 3000 Euro. Und der ORF überträgt einmal für längere Zeit kein Spiel der Nationalma­nnschaft.

„Rationalit­ät wird zurückkomm­en.“

Karl-Heinz Rummenigge

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