Nur ein wenig Hoffnung
In Spanien geht die Infektionsrate langsam zurück. Um diese Entwicklung zu stützen, schickt die Regierung die Wirtschaft in eine Zwangspause.
Die Kurve der Infektionen und die Zahl der Toten steigt zwar weiter, aber es wird ein kleines Licht am Ende des Tunnels sichtbar – der tägliche prozentuale Zuwachs neuer Coronafälle in Spanien wird langsam geringer. So stieg die gemeldete Zahl der Kranken am Dienstag, verglichen mit dem Vortag, nur um elf Prozent auf 94.420 – die Regierung interpretiert dies als „positive Entwicklung“. In den ersten Wochen hatten sich die Fälle von Tag zu Tag oftmals verdoppelt. Mittlerweile zählt Spanien ebenso wie Italien mehr Infektionen als China, wo die Pandemie vor drei Monaten ausbrach. Die offiziellen Zahlen sind aber nur die Spitze des Eisbergs, da die meisten Verdachtsfälle in Spanien nicht getestet und somit auch nicht mitgezählt werden.
Nach amtlichen Angaben gab es bis Dienstag 8200 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Das ist ein Zuwachs von 850 Toten in 24 Stunden – ein trauriger Rekord.
Auch hier muss von einer größeren Dunkelziffer ausgegangen werden.
Brennpunkt der Epidemie ist die Hauptstadtregion, wo auf unbestimmte Zeit alle Fahnen auf Halbmast gesetzt wurden. Bis Dienstag starben allein in Madrid 3600 Menschen.
Derweil sorgt die Verschärfung der Ausgangssperre für zunehmende Spannungen. Am Wochenende hatte die Regierung nach italienischem Vorbild die Wirtschaft total stillgelegt. Eine Entscheidung, die von Regierungssprecherin María Jesús Montero als „eine Art Winterschlaf“bezeichnet wurde. Demzufolge müssen nun auch jene Arbeiter und Angestellten, die bisher noch in Fabriken, Büros und auf Baustellen den Betrieb aufrechterhielten, zu Hause bleiben. Der Chef des Arbeitgeberverbands, Antonio Garamendi, nannte den verordneten „Winterschlaf“einen schweren Irrtum.
Er warf dem sozialistischem Ministerpräsidenten Pedro Sánchez vor, „die Wirtschaft des Landes zu ersticken“. Es drohten Milliardenverluste und Massenentlassungen. Die konservative Opposition, welche bisher die beschlossenen Notstandsgesetze mittrug, lehnt die Stilllegung ebenfalls ab. Die rechtspopulistische Partei Vox, drittstärkste Kraft im Parlament, will Sánchez in Zukunft „strafrechtlich verfolgen lassen“.
Durch das Stilllegen weiterer Wirtschaftssektoren bleiben aber zusätzlich viele Millionen Menschen zu Hause – die Ausbreitung des Virus wird drastisch reduziert. Laut Regierungsdekret darf nur noch in lebenswichtigen Branchen wie Gesundheit, Sicherheit, Ernährung, Energie und Transport gearbeitet werden. Zunächst gilt dies bis Ostern. „Das sind harte, aber entscheidende Tage“, betonte Sánchez. Zugleich schickte er einen verzweifelten Hilferuf an die EU nach Brüssel: Spanien könne die Milliardenkosten für die Bewältigung der Coronakrise nicht allein tragen, sagte er. Er forderte Finanzhilfe in Form von „Corona-Bonds“der Europäischen Zentralbank, um Spanien vor einer neuen Schuldenkrise zu bewahren. Europa müsse eine Art Marshall-Plan zur Bewältigung der Pandemie in Gang setzen.
Eine Forderung, die auch von den Regierungen Frankreichs, Italiens, Griechenlands, Portugals, Belgiens, Irlands, Sloweniens und Luxemburgs unterstützt wird. Diese Länder wandten sich gemeinsam mit Spanien in einem Brief an EU-Ratschef Charles Michel. Sie verweisen darauf, dass die verheerenden Folgen der Pandemie alle Mitgliedsstaaten betreffen und somit eine solidarische Antwort erfordern.
Doch Deutschland, aber auch die Niederlande und Österreich lehnen diese Art der Solidarität ab.