Ein Besuch, der viel bedeuten würde
Heute lag eine Postkarte aus dem Weißen Haus im Briefkasten. Blau auf Weiß stand auf der Vorderseite „Präsident Trumps CoronavirusRichtlinien für Amerika“. Auf der Rückseite finden sich Empfehlungen wie regelmäßig die Hände zu waschen, zu Hause zu bleiben, wenn man sich krank fühlt oder Reisen und Ansammlungen zu vermeiden.
Was mich daran erinnerte, seit Anfang des Jahres auf den Spuren der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im November faktisch aus dem Koffer gelebt zu haben. Von New Hampshire über Nevada bis South Carolina interviewte ich mehr als hundert Wähler und schüttelte mindestens so viele Hände. Ganz zu schweigen von dem halben Dutzend Flügen kreuz und quer durch die USA.
Wenn ich mir heute die Bilder mit Joe Biden, Pete Buttigieg oder
Elizabeth Warren anschaue, mit denen ich gemeinsam in die Kamera lächelte, bin ich froh, dass keiner von ihnen bisher Symptome zeigte. Sonst wäre mir im Nachhinein das Lachen gewiss vergangen.
Dass einen Monat nach Rückkehr von meiner bislang letzten Wahlkampfreise bereits mehr als 130.000 Menschen ein positives SARS-CoV-2Testergebnis erhalten haben, gibt zu denken. Trotzdem gehöre ich zu denen, die bisher Glück im Unglück hatten. Heimarbeit ist für mich nichts Neues, sondern seit 20 Jahren Routine. Vor allem habe ich noch Arbeit. Verglichen mit dem, was für andere auf dem Spiel steht, kann ich mit geschlossenen Restaurants, Abstandsregeln und Plexiglasscheiben im Supermarkt leben.
Unsere Haushaltshilfe, der Friseur auf der 18. Straße oder die Bedienung in unserem Lieblingslokal leben nicht nur mit der Angst vor dem Virus, sondern auch mit dem Verlust ihrer Einkünfte. Sie alle können nicht von zu Hause aus arbeiten, sondern sind die Leidtragenden der Ausgangssperre. Insofern klingt es verkehrt, die eigenen Einschränkungen zu beklagen. Was nicht heißt, dass uns Corona nicht betrifft. Eine 90-jährige Angehörige liegt im Sterben – nicht mit Covid19, aber wegen des Risikos einer Infektion sollte sie im Krankenhaus niemand besuchen. Trotzdem hinfahren oder nicht, auf dieses Dilemma hat Trumps Postkarte keine Antwort.