„Die Gerichtsbarkeit darf nicht zur TV-Bühne werden“
Der Vorsitzende des Richter-Ethikrats übt Kritik an der True-Crime-Doku „Im Namen des Volkes“auf RTL 2.
In Deutschland werden jährlich rund 700.000 Straftaten verhandelt. „Doch Recht und Gerechtigkeit sind nicht immer das Gleiche“, heißt es aus dem Sender RTL 2, der am Donnerstag (20.15 Uhr) die vierteilige True-Crime-Doku-Serie „Im Namen des Volkes – So urteilt Deutschland“startet.
Die dem TV-Projekt zugrunde liegende Frage lautet: Wie werden echte Kriminalfälle von Laienrichtern entschieden? Konkret urteilen sieben Laienrichter, die vom Rechtsanwalt
Alexander Stevens („Die Wirklichkeit ist schlimmer als jeder Krimi“) beraten werden. Zum Auftakt gibt es den – realen – Fall einer Haushälterin, die ihren Arbeitgeber getötet, dessen Tod über Jahre verheimlicht und die Rente des Mannes kassiert hat. Als die Sache aufflog, sagte die Frau, sie habe sich gegen eine sexuelle Belästigung gewehrt. Für ihr Urteil haben die Laienrichter zwei Stunden Zeit.
Das neue TV-Format stößt in Richterkreisen auf Kritik. Werner
Zinkl, der Vorsitzende des Ethikrats der Vereinigung österreichischer Richterinnen und Richter (RIV), hält die Vorgangsweise etwa für „sehr bedenklich“. „Hier wird die Gerichtsbarkeit zu einer TV-Bühne degradiert, was so nicht sein darf“, betont Zinkl im SN-Gespräch.
Es sei problematisch, wenn der Anschein erweckt werde, dass das Volk es jenen, die die Rechtsprechung gelernt hätten, gleichtun könne. Und es sei kaum möglich, einen komplexen Gerichtsakt in einer
Fernsehshow darzustellen. Zinkl warnt davor, aus realen Strafakten eine Show zu machen: „Das dient doch nur der Skandalisierung.“Egal, ob die TV-Jury ein milderes oder ein strengeres Urteil fällen wird: „Das Publikum wird den Eindruck gewinnen, dass die Justiz ihre Sache nicht gut macht.“Sendungen wie „Im Namen des Volkes – So urteilt Deutschland“würden, sagt Zinkl, der Justiz keinen guten Dienst erweisen: „Aber sie lassen sich leider nicht verhindern.“