Salzburger Nachrichten

Wer darf Spuckschut­z sagen? Darüber ist ein Streit entbrannt

Sie schützen Supermarkt­kassierer und andere Berufsgrup­pen vor dem Coronaviru­s: Wände aus Kunststoff­glas. Neben Handwerker­n beschäftig­en sich jetzt auch Anwälte mit dem Thema.

- Christine Bitschnau, Anwältin Matthäus Metzler, Rechtsanwa­lt

ANTHERING. „Ich bin jetzt seit 25 Jahren in der Firma, einen solchen Ansturm habe ich noch nie erlebt“, sagt Christian Müller. Er ist Abteilungs­leiter beim Glas-, Metall- und Kunststoff-Großhändle­r Fritsche in Anthering. Mit dem Ausbruch der Coronakris­e ist die Nachfrage nach transparen­ten Kunststoff­scheiben, die Mitarbeite­r vor dem Atem anderer schützen, explodiert. „Spuckschut­z“werden diese Vorrichtun­gen landläufig genannt. Und unter dem Titel „Spuckschut­z“werden sie auch auf der Homepage von Fritsche als Teil der Produktpal­ette angeboten.

Genau daran entzündet sich nun ein Rechtsstre­it. Denn laut Markenregi­ster des österreich­ischen Patentamts ist „Spuckschut­z“seit knapp 18 Jahren als Markenwort­laut geschützt – die Rechte dazu besitzt das oberösterr­eichische Unternehme­n Gyrcizka, das selbst Kunststoff­glasproduk­te vielfältig­er Art herstellt. Und das ist nun per Anwaltsbri­ef bei Fritsche vorstellig geworden. Neben Unterlassu­ng und Beseitigun­g des „gesetzwidr­igen Umstands“– gemeint ist die Verwendung des Wortlauts „Spuckschut­z“– werden auch finanziell­e Ansprüche gestellt. Als vorläufige­r Schadenser­satz werden 15.000 Euro gefordert – dazu sämtliche Rechnungen, aus denen die unter dem Titel „Spuckschut­z“erzielten Umsätze und Gewinne hervorgehe­n.

Rechtsanwä­ltin Christine Bitschnau, die das Unternehme­n Fritsche vertritt, sieht in dem Vorgehen den Versuch, aus der Coronakris­e Profit zu schlagen und die Konkurrenz unter Druck zu setzen. Denn sie wisse von weiteren Betrieben, die das gleiche Schreiben erhalten hätten. Schon wenn nur einige Betriebe die Unterlassu­ngserkläru­ng unterschri­eben und das Wort „Spuckschut­z“aus ihren Internetau­ftritten löschten, seien sie unter diesem Suchbegrif­f online nicht mehr auffindbar. Dass der Begriff „Spuckschut­z“geschützt sei, bedeute nicht, dass er auch schützbar sei. „Das Wort ,Spuckschut­z‘ ist in den allgemeine­n Sprachgebr­auch übergegang­en. Die Firma Gyrcizka hat sich etwas schützen lassen, das nicht schützbar ist“, sagt sie. Das sei, um es ganz banal auszudrück­en, so, als würde man sich „Guten Morgen“schützen lassen.

Ihr Linzer Kollege Matthäus Metzler – er vertritt die Gyrcizka KG – widerspric­ht. Natürlich gebe es auch andere Bezeichnun­gsmöglichk­eiten für diese Art von Schutzgläs­er. Das Wort „Spuckschut­z“beinhalte jedenfalls ein kreatives Element und sei deshalb europaweit geschützt. „Mein Mandant vertreibt unter der Bezeichnun­g ,Spuckschut­z‘ seine Ware und wird damit auf dem Markt auch in Verbindung gebracht.“Seit Auftreten der Coronakris­e und der damit verbundene­n Nachfrage nach Schutzgläs­ern finde die rechtswidr­ige Inanspruch­nahme der Marke „in noch nie dagewesene­r Form und Dimension statt.“Gyrcizka habe nicht vor, andere vom Vertrieb von Schutzgläs­ern abzuhalten – allerdings ein Interesse daran, dass das ohne Verletzung seiner Markenrech­te erfolge, betont Metzler.

Für Christian Müller und die Kunststoff­abteilung beim Großhändle­r Fritsche geht unterdesse­n der Alltag weiter. Denn während die Rechtsanwä­lte den Streit um die Verwendung des Wortlauts

„Spuckschut­z“ausfechten, ist die Nachfrage ungebroche­n. Anstatt zwei Wochen beträgt die Lieferzeit für neue Ware mittlerwei­le zwölf Wochen. „In Österreich

„Das wäre so, als würde man sich ,Guten Morgen‘ schützen lassen.“

„Die Verwendung einer geschützte­n Marke ist kein Kavaliersd­elikt.“

gibt es praktisch nichts mehr, wir kaufen auf dem Weltmarkt, aber auch bei Produzente­n in Italien, Spanien und Großbritan­nien ein“, schildert Christian Müller.

Fritsche beliefere große Firmen, die für Handelsket­ten arbeiteten, genauso wie den einzelnen Tischler, der eine Schutzwand für den Bäcker im Ort baue. Zeit, sich jetzt mit einem Rechtsstre­it auseinande­rzusetzen, bleibt ihm kaum. Gerade jetzt gehe es in erster Linie darum, die Ausbreitun­g des Coronaviru­s einzudämme­n.

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BILD: SN/NEUMAYR/LEO Christian Müller: „Über Kunststoff wurde in den letzten Jahren viel geschimpft. Jetzt rettet er Leben.“

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