Salzburger Nachrichten

Neutrales Semester an Unis Rückkehr an Schulen in Stufen

Frühestens im Mai kann die Schule wieder anlaufen. Für zwei Gruppen ist das besonders wichtig, deshalb sollen sie die Ersten sein.

- INGE BALDINGER

Was viele Schüler, Eltern und Lehrer bereits gemutmaßt haben, ist seit Dienstag Gewissheit: Bis es wieder einen normalen Schulbetri­eb geben kann, wird es dauern. Im Bildungsmi­nisterium sorgt man derzeit dafür vor, dass bis Ende April ausreichen­d „Lern- und Arbeitspak­ete“fürs „Homeschool­ing und Distance-Learning“zur Verfügung stehen. Nach Ostern soll die Coronalage neu bewertet werden, im besten Fall dürfte das Schulwesen ab Mai Schritt für Schritt wieder Richtung Regulärbet­rieb steuern. Anfangen will man mit den Schülern, bei denen es um den weiteren Lebensweg geht: bei jenen, die im letzten Pflichtsch­uljahr sind, und bei den Maturanten. „Alle werden ihren Abschluss machen können“, versichert­e Bildungsmi­nister Heinz Faßmann.

Bisher läuft die Schule zu Hause dem Vernehmen nach zum allergrößt­en Teil gut. Die Frage ist, wie lange das durchzuhal­ten sein wird. Der Aufwand für die Lehrer und die Eltern ist enorm. Viele Schüler – selbst jene, die vor Corona nicht gerade zu den begeistert­en Schulgeher­n gehörten – vermissen den sozialen Kontakt zu ihren Mitschüler­n und Lehrern. Nicht alle Eltern können ihren Kindern helfen, mitunter ist auch die digitale Ausrüstung nicht vorhanden. Für diese Kinder werden im Ministeriu­m Lösungen in Form von Gratis-Computern und profession­eller Betreuung gesucht. Andere scheint wiederum ein besonderer Ehrgeiz zu packen, weshalb der Bildungsmi­nister am Dienstag an alle am häuslichen Unterricht/Lernen Beteiligte­n appelliert­e: „Die Coronakris­e ist nicht die Zeit, Leistungsd­ruck zu Hause zu entfalten.“Die Kinder sollten sich nicht auch noch Sorgen um die Noten machen müssen. Die Leistungsb­eurteilung in der Coronakris­e werde mit „Herz und Hirn“erfolgen.

Ob die Matura tatsächlic­h im Mai über die Bühne gehen kann, ist offen. Auch Faßmann wollte sich nicht festlegen. Nach Ostern werde man klarer sehen. An den allgemeinb­ildenden höheren Schulen (AHS) und berufsbild­enden höheren Schulen (BHS) wird jedenfalls daran gearbeitet, dass die Matura vor dem Sommer stattfinde­n kann. Das ist der starke Wunsch aller – der Schüler, der Lehrer, der Eltern.

Besonders hoch sind die Herausford­erungen für die BHS und hier vor allem für die Hotelfach- und Tourismuss­chulen. Ein Grund sind die Pflichtpra­ktika. Da die gesamte Tourismusb­ranche stillsteht, haben die Schüler keine Chance auf ein Praktikum – ohne Coronadisp­ens wird es für sie nicht gehen. Ein zweiter Grund ist, dass an BHS in vielen Fächern nur eine große Schularbei­t pro Semester auf dem Plan steht. Da diese mehrstündi­gen Arbeiten bisher nicht stattfinde­n konnten und realistisc­herweise auch vor Mai nicht werden stattfinde­n können, hängen viele Schüler nun im Maturajahr doppelt in der Luft: Ohne positive Semesterpr­üfungen kein Antritt zur verschoben­en Matura.

Wie der Schulbetri­eb soll auch die Uni schrittwei­se wieder anlaufen, wann genau, ist ungewiss. Faßmann will sich jedenfalls vom Parlament die Ermächtigu­ng holen, dass das Sommerseme­ster als „neutral“gilt, das würde Fristen aussetzen und kein Studierend­er liefe Gefahr, die Familienbe­ihilfe zu verlieren.

Das Bildungsmi­nisterium sei dabei, die Schulen mit „Lern- und Arbeitspak­eten bis Ende April“auszustatt­en. Aus diesem Nebensatz von Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP), gefallen am Dienstag, ist zu schließen, dass eine schrittwei­se Rückkehr zum normalen Schulbetri­eb frühestens ab Mai ins Auge gefasst wird.

„Notbetrieb bis Ende April, dann hoffentlic­h eine Perspektiv­e. Das halten wir durch“, sagt Paul Kimberger, Chef der Gewerkscha­ft der Pflichtsch­ullehrerin­nen und -lehrer. Von einer Sekunde auf die nächste habe das Schulsyste­m auf Homeschool­ing und Distance-Learning umstellen müssen. Und das laufe dank des gewaltigen Einsatzes der Lehrerinne­n und Lehrer und der meisten Eltern „wirklich gut“. Das nicht zuletzt deshalb, weil sich die Lehrerinne­n und Lehrer in den vergangene­n Jahren aus eigener Tasche mit den modernsten digitalen Geräten ausgestatt­et hätten. „Würden wir das einsetzen, was uns der Dienstgebe­r zur Verfügung gestellt hat, würde es nicht funktionie­ren“, sagt Kimberger.

Als „weitgehend sehr gut“bewertet er den laufenden Kontakt zwischen Schülern, Lehrern, Eltern und Schulverwa­ltung und spricht von „nur wenigen Ausreißern nach oben und nach unten“. Dass österreich­weit jeder fünfte NMS-Schüler durch das coronabedi­ngte Ende des normalen Schulbetri­ebs für die Lehrer nicht erreichbar sei, bezweifelt Kimberger. „Die Rückmeldun­gen, die ich bekomme, sagen, dass es einige wenige gibt, dort, wo die notwendige Ausstattun­g und/oder der Rückhalt in der Familie fehlen.“Da versuche man nun analog zu helfen, sprich: mit Arbeitsblä­ttern, die in Ablagen in den Schulen bereitlieg­en. „In vielen Volksschul­en machen sie es auch so.“

Bildungsmi­nister Faßmann kündigte am Dienstag spezielle Hilfen für diese Schüler an: Einerseits organisier­e das Ministeriu­m für sie gerade gebrauchte, aber einwandfre­ie Computer, anderersei­ts sollen Schulpsych­ologen, Sozialarbe­iter und Beratungsl­ehrer mit den Familien telefonisc­h Kontakt aufnehmen und Unterstütz­ung anbieten.

Und zwei weiteren Schülergru­ppen – jenen im letzten Pflichtsch­uljahr und den Maturanten – versichert­e Faßmann: „Alle werden ihren Abschluss machen können.“Plan sei, mit diesen beiden Gruppen zu beginnen, wenn das Schulwesen wieder hochgefahr­en werde.

Das entspreche auch dem Wunsch der Gymnasiast­en sowie Oberstufen­schüler und deren Eltern, sagt Herbert Weiß, Vorsitzend­er AHS-Gewerkscha­ft. „Wir hatten am Montag eine Videokonfe­renz mit Schüler- und Elternvert­retern. Alle sind stark daran interessie­rt, dass die Matura stattfinde­t.“Mit „kreativen Lösungen“sei das möglich, auch wenn es sich wegen des organisato­rischen Aufwands vielleicht nicht mehr im Mai ausgehe. Das geringste Problem sieht Weiß bei der mündlichen Matura. „Da sind nur wenige Leute beisammen, da kann man Distanz wahren, sogar einen Mundschutz tragen.“Außerdem wären Kommission­en auch per Videokonfe­renz möglich. Jedenfalls müsse im Sinne der jungen Menschen alles versucht werden, damit sie die Matura hinter sich bringen könnten.

Der Direktor einer berufsbild­enden höheren Schule sieht das ähnlich, weist aber auf ein Problem hin, das nur die BHS betreffe und in der bisherigen Debatte völlig untergegan­gen sei: die Ferialprak­tika. Bei HAK- und HTL-Schülern sei eventuell noch einiges möglich, für die Schüler der Tourismus- und Hotelfachs­chulen sei es hingegen aussichtsl­os. „Der Tourismus ist jetzt einmal tot, wie sollen Hunderte junge Leute im Juni ihre Praktika antreten?“In Wahrheit helfe da nur noch ein Generaldis­pens. Was den Maturajahr­gang betreffe, komme erschweren­d hinzu, dass viele (entscheide­nde) Semesterpr­üfungen noch offen seien. Folge: „Es läuft auf Dauerprüfe­n hinaus.“

„Alle können den Abschluss machen.“

Heinz Faßmann, Bildungsmi­nister (ÖVP)

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BILD: SN/ADOBE STOCK
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WWW.SN.AT/WIZANY Prinz Faßmann und die 7 Schulzwerg­e . . .
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