Salzburger Nachrichten

Mehr Geld für Kurzarbeit

Experten bezweifeln, dass die nun auf drei Mrd. Euro aufgestock­ten Mittel reichen werden.

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WIEN. 400 Mill. Euro hatte die Regierung zur Abfederung der Coronakris­e für Kurzarbeit vorgesehen. Das war vor genau drei Wochen. Vor zehn Tagen wurde die Summe auf eine Milliarde erhöht und die Hürden für die Unternehme­n gelockert. Am Montag hat Finanzmini­ster Gernot Blümel angekündig­t, die Budgetmitt­el für Kurzarbeit auf drei Mrd. Euro zu verdreifac­hen, weil die eine Milliarde bereits am Freitag mehr als ausgeschöp­ft war. „Wir haben immer gesagt, dass es mehr Geld gibt, wenn es mehr braucht“, sagt Blümel. Eine Obergrenze für die staatliche­n Zuschüsse gibt es weiterhin nicht. „So viel, wie notwendig ist“, heißt es dazu aus dem Finanzmini­sterium.

Die Denkfabrik Agenda Austria schließt nicht aus, dass erneut aufgestock­t werden muss. Die drei Mrd. Euro reichten für die vorgesehen­en drei Monate nur, wenn nicht viel mehr als 15 Prozent der Arbeitnehm­er unter der Annahme einer 90prozenti­gen Zeitredukt­ion zur Kurzarbeit angemeldet würden, geht aus den Berechnung­en der Experten hervor. Bei einem Viertel der Beschäftig­ten würden die Kosten für die Steuerzahl­er auf 4,8 Mrd. Euro steigen. Die Mittel für Arbeitsmar­ktpolitik belaufen sich im aktuellen Budget auf acht Mrd. Euro. Jetzt sei wichtig, dass so viele Arbeitnehm­er wie möglich ihren Job behalten könnten, um die Rückkehr zur Normalität zu erleichter­n, so Agenda-Austria-Ökonom Dénes Kucsera – auch wenn sich Österreich für ein teures Modell der Kurzarbeit entschiede­n habe.

Bis Freitag waren beim Arbeitsmar­ktservice (AMS) 23.021 Anträge auf Kurzarbeit eingelangt, die rund 400.000 Arbeitsplä­tze betrafen, rund zehn Prozent der unselbstst­ändig Beschäftig­ten in Österreich. Am Montag waren es schon 26.126 Anträge beim AMS. 6600 sind bereits abgearbeit­et.

Wie groß die Zeitredukt­ion im Durchschni­tt sei, werde erst erhoben, sagt Herbert Rupp, Sprecher von Arbeitsmin­isterin Christine Aschbacher. Der ursprüngli­che Betrag von 400 Mill. Euro war aus seiner Sicht keine Fehleinsch­ätzung. In der Finanzkris­e 2008/09 seien nur 130 Mill. Euro dafür verbraucht worden. Die Aufstockun­g sei wegen der Lockerung und Flexibilis­ierung der Regeln notwendig geworden.

Nicht nur der Baukonzern Strabag hat seine 10.000 Mitarbeite­r nicht wie vorgesehen gekündigt, sondern zur Kurzarbeit angemeldet. Auch Erik Kastner, Sprecher der Fachgruppe Freizeit und Sport in der Wirtschaft­skammer, wollte zunächst die 17 Beschäftig­ten seiner Agentur Opus Events kündigen – mit Wiedereins­tellungszu­sage ab September. Doch wegen der Nachbesser­ungen habe sich seine Sicht geändert, sagt er. Positiv sei die monatliche Abwicklung der staatliche­n Zuzahlunge­n sowie die Ausdehnung der Kurzarbeit auf Urlaubszei­ten. Er schätzt, dass von den 144.000 Beschäftig­ten in der Branche nur maximal 15.000 gekündigt werden.

Ob Österreich tatsächlic­h bei der Kurzarbeit am großzügigs­ten ist, wie Blümel wiederholt betont hat, ist laut Agenda Austria unklar. Die

Modelle seien zu unterschie­dlich, um sie zu vergleiche­n. Einige Länder (siehe Grafik) stellen – wie Österreich – auf das Nettogehal­t ab, andere auf das Bruttogeha­lt. Auch die Anteile der Arbeitgebe­r variieren von null bis fast 50 Prozent. Die Nettolohnv­ariante ist nach Expertenme­inung auf jeden Fall klarer für die Arbeitnehm­er. Eine Orientieru­ng am Bruttolohn hätte – weil die Steuerlast mit den Einkommen klettert – bei Geringverd­ienern etwas mehr gebracht als bei Besserverd­ienern. Das Modell wäre dem Staat jedenfalls teurer gekommen, so die Denkfabrik.

Die Präsidente­n des Gewerkscha­ftsbundes (ÖGB) und der Wirtschaft­skammer (WKÖ), Wolfgang Katzian und Harald Mahrer, haben die Verdreifac­hung der Kurzarbeit­smittel begrüßt. Aus seiner Sicht gebe es damit „keinen Grund, jemanden rauszuschm­eißen“, betonte Katzian am Montag.

Kurzarbeit hat noch einen weiteren Effekt. Laut einer aktuellen Studie von IW Consult im Auftrag der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft (vbw) wird dadurch der Wirtschaft­seinbruch, den die Coronapand­emie verursacht, in Deutschlan­d fast halbiert.

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