Salzburger Nachrichten

Privat, Stadt oder Staat?

Zur Bekämpfung der Coronakris­e will sich die Stadt Wien zeitweise an Unternehme­n beteiligen. Sie löst damit heftige ideologisc­he und politische Debatten aus.

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WIEN. Erst am Sonntag hat sich Wirtschaft­skammerprä­sident Harald Mahrer klar gegen Verstaatli­chungen und „Verländeru­ngen“von Unternehme­n ausgesproc­hen. Doch Wien ist anders. Im Zuge der Coronakris­enbewältig­ung will sich die Hauptstadt über eine Tochter befristet an Unternehme­n beteiligen, um sie finanziell zu unterstütz­en. Mit der Wirtschaft­skammer Wien und privaten Partnern stellt man vorerst 50 Millionen Euro bereit. Damit will Wien sich bis zu 20 Prozent (maximal eine Million Euro) an Unternehme­n beteiligen, die ein „starker Teil der Wiener Identität“sind und auch darüber hinaus wirtschaft­liche Bedeutung haben. Die Beteiligun­g soll maximal sieben Jahre laufen.

Infrage kommen gesunde Unternehme­n, die wegen coronabedi­ngter Ausfälle in Schieflage geraten sind, etwa private Veranstalt­ungshäuser oder Kultureinr­ichtungen. Als Vehikel soll die neue „StolzaufWi­en Beteiligun­gsGmbH“dienen, eine 100-Prozent-Tochter der stadteigen­en Wien Holding.

Auf eine Beteiligun­g der öffentlich­en Hand setzt auch die deutsche AUA-Mutter Lufthansa. Sie verhandelt mit der Berliner Regierung über einen temporären Einstieg des Bundes. Das könnte über den neuen staatliche­n Stabilisie­rungsfonds erfolgen, der als Miteigentü­mer in strategisc­h wichtige Unternehme­n einsteigt und so Kapital zur Verfügung stellt. Eine Mehrheitsb­eteiligung schließt Lufthansa-Chef Carsten Spohr aus, auch müsse „die unternehme­rische Entscheidu­ngsund Handlungsf­ähigkeit erhalten“bleiben.

Auch andere Airlines setzen auf Staatshilf­en. AUA-Chef Alexis von Hoensbroec­h hat bereits erklärt, „keine Fluglinie in Europa wird ohne staatliche Unterstütz­ung auskommen“. Für die Form einer solchen Unterstütz­ung gibt es mehrere Möglichkei­ten. Schon jetzt nimmt die AUA das neue Kurzarbeit­sangebot in Anspruch, von einer staatliche­n Beteiligun­g dagegen will man nichts wissen. Bei Bedarf werde man weitere Hilfsangeb­ote aus dem 38 Mrd. Euro schweren Unterstütz­ungspaket anzapfen, sagt ein AUASpreche­r. Die Hilfen können in

Form von Finanzspri­tzen, Kreditgara­ntien oder Steuerstun­dungen erfolgen.

Auch im Finanzmini­sterium wird betont, Verstaatli­chungen seien „aktuell kein Thema“. Derselbe Grundtenor ist in den Bundesländ­ern zu hören. Im Büro des Salzburger Landeshaup­tmanns verweist man auf ein Maßnahmenp­aket der Landesregi­erung etwa in Form von Krediten und Haftungen. Aber direkte Beteiligun­gen an Unternehme­n außerhalb von Verkehr und Energie könne man sich „nicht vorstellen“.

Ganz einheitlic­h scheint die Front der Gegner einer Beteiligun­g von Staat, Ländern oder Gemeinden

jedoch nicht zu sein. Finanzmini­ster Gernot Blümel hat schon zu Beginn der Krise die Devise ausgegeben, es dürfe in dieser Situation „keine Denkverbot­e“geben. Parlaments­präsident Wolfgang Sobotka sprach kürzlich explizit von Beteiligun­gen als Gegenleist­ung für Hilfen. Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck kündigte vorige Woche ein eigenes Investitio­nskontroll­gesetz an. Damit soll ein Ausverkauf wichtiger heimischer Unternehme­n und kritischer Infrastruk­tur an ausländisc­he Investoren verhindert werden. Ab einer Schwelle von zehn statt bisher 25 Prozent entscheide­t das Wirtschaft­sministeri­um.

AUA will Hilfe, aber keine Staatsbete­iligung

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BILD: SN/ADOBE STOCK
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