Hinter Maske und Plexiglas
Der britische Premier ist schwer an Covid-19 erkrankt. Wie schützt sich eigentlich die österreichische Spitzenpolitik vor dem gefährlichen Virus?
WIEN. Österreichs Innenpolitik steht derzeit nicht nur im Zeichen der Mund-Nase-Maske, welche Minister und Parlamentarier ostentativ im Gesicht tragen. Sondern auch im Zeichen der Plexiglasscheibe, die als Spuck- und Ansteckungsschutz dienen soll. Eine solche Scheibe gibt es vor dem Sitzplatz des Nationalratspräsidenten. Eine weitere vor dem Rednerpult im Plenarsaal. Es gibt Scheiben vor der Regierungsbank im Parlament. Und es gibt Scheiben vor den Mikrofonen, hinter denen die Minister und der Kanzler ihre Pressekonferenzen abhalten.
Die strengen Regeln, denen sich die heimische Spitzenpolitik unterworfen hat, machen sich bezahlt. Bisher wurde – anders als der britische Premierminister Boris Johnson,
der schwer an Covid-19 erkrankt ist – kein österreichischer Spitzenpolitiker positiv auf SARSCoV-2 getestet. Bisher haben sich nur zwei Parlamentarier angesteckt, was der Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses keinen Abbruch tut.
Bundeskanzler Sebastian Kurz, Gesundheitsminister Rudolf Anschober, SPÖ-Chefin Pamela RendiWagner und etliche andere haben sich bereits Wochen vor dem österreichweiten Shutdown angewöhnt, keine Hände mehr zu schütteln. Der Kanzler hält sich auch im Privatleben, das gegenwärtig nur rudimentär stattfindet, streng an die Coronaregeln. Und in dienstlicher Hinsicht sowieso: Wer in diesen Tagen das Bundeskanzleramt betreten will, muss sich die Temperatur messen lassen und die Hände desinfizieren. Doch der Besucherstrom hat sich merklich ausgedünnt. Regierungssitzungen werden per Videokonferenz abgehalten. Bei unaufschiebbaren persönlichen Besprechungen im Kanzleramt achten die Beteiligten auf Abstand, jeder zweite Sessel wird aus den Sitzungsräumen entfernt. An jeder Kanzleramts-Ecke stehen Spender mit Desinfektionsmitteln. Auch der Zustrom an Journalisten wurde eingedämmt. Zutritt haben nur wenige, die anderen Berichterstatter sind angehalten, ihre Fragen schriftlich an die Vertreter der Austria Presse Agentur zu richten, die sie dann an die Regierungsvertreter weiterreichen. Derlei würde in Normalzeiten empörte Proteste der Journalistenorganisationen auslösen. In Zeiten wie diesen zeigen die Medienleute Verständnis.
Die Rituale der Innenpolitik finden nur noch auf Sparflamme statt. Parteitage oder Klubklausuren gibt es bereits seit Wochen keine mehr. Auch der 1.-Mai-Aufmarsch der SPÖ, zu dem sich Dutzende führende Parteifunktionäre auf der Tribüne und Tausende Parteimitglieder auf dem Rathausplatz in bequemer Ansteck-Distanz versammeln würden, muss heuer entfallen. Die Reden der Parteispitze sollen in einer „TV-Show" übertragen werden.
Und Bundespräsident Alexander Van der Bellen erledigt seine Amtsgeschäfte vorwiegend aus seiner Privatwohnung. So kam Österreichs Spitzenpolitik bisher gut durch die Coronakrise.