EU-Finanzminister berieten Hilfen um 500 Milliarden Euro
Coronabonds soll es nicht geben. Der Kompromissvorschlag zur Abfederung der Krise sollte vor allem den ärmeren EU-Staaten helfen.
Hinter den Kulissen liefen schon im Vorfeld die diplomatischen Kanäle heiß. Mit aller Kraft sollte vermieden werden, dass sich der Streit zwischen Nord und Süd mit derselben Bitterkeit wiederholt wie während der Finanz- und Eurokrise nach 2008. Solidarität ist das Thema. Und ein Hilfspaket für die Wirtschaft in den von der Pandemie am schwersten getroffenen EUStaaten Italien und Spanien ist ein Muss. Diese Länder müssen rasch und günstig Kredite erhalten. Doch an der Frage, ob die EU gemeinsame Schulden machen und sogenannte Coronabonds auflegen sollte, schieden sich bis zuletzt die Geister.
Am Dienstag sollten es die 27 EUFinanzminister richten. Als sie sich
„Das sind Instrumente der Solidarität.“Olaf Scholz, Deutschland
„Wenn Sie das Euro-light-Bonds nennen wollen. . .“
Gernot Blümel, Österreich
am späten Nachmittag zur Videokonferenz einfanden, lag ein Kompromissvorschlag vor. Er basierte auf einer Einigung, die die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron Ende der Vorwoche erzielt hatten.
Darin fehlten zwar die Coronabonds, die Italien, Spanien und auch Frankreich als Zeichen der europäischen Solidarität verlangt hatten. Geplant waren aber Finanzhilfen im Ausmaß von mehr als 500 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der EU-Haushalt für sieben Jahre ist etwa doppelt so groß.
Die Gelder sollten in Form von günstigen Krediten aus drei Quellen kommen. Erstens dem Rettungsschirm, der noch aus der Eurokrise stammt und offiziell Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) heißt; zweitens aus dem von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geplanten Programm zur Unterstützung der Kurzarbeit (SURE); und drittens aus der Europäischen Investitionsbank (EIB).
Dies seien „drei Instrumente der Solidarität“, lobte der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD), bevor er sich in Berlin vor den Bildschirm setzte, um mit seinen Kollegen in den anderen Hauptstädten zu konferieren. Deutschland lehnt wie die Niederlande und Österreich Coronabonds ab. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) betonte erneut: Es werde keine Eurobonds geben, bei denen die EU-Staaten solidarisch und ungeteilt für die Schulden der anderen haften. Er versicherte allerdings, dass Österreich bei anderen Maßnahmen größtmögliche Flexibilität zeigen werde. „Wenn Sie das Euro-light-Bonds nennen wollen, ist das Ihre Sache“, sagte er österreichischen Journalisten auf eine entsprechende Frage – ebenfalls per Video.
Österreich jedenfalls dürfte weitere Kreditaufnahmen des ESM und der EIB unterstützen. Im Rahmen des ESM können schon jetzt Anleihen begeben werden, die einzelnen Staaten haften aber nur mit der Höhe ihres einbezahlten Kapitals.
Eine Ausweitung der Kreditlinien hatte auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorige Woche vorgeschlagen, um die Kurzarbeit in Europa zu finanzierten.
ESM-Kredite seien „absolut unzureichend“. Das gab hingegen der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte seinem Finanzminister für die Videokonferenz mit auf den Weg. Ein Grund für die ablehnende Haltung könnte sein, dass ESM-Hilfen bislang an strenge Auflagen und Kontrollen geknüpft sind. Griechenland etwa musste sich vollständig den Vorgaben der Kreditgeber unterwerfen. Daher hat Deutschland nun auch vorgeschlagen, ESM-Kredite in der unverschuldeten Coronakrise nicht an „unnötige Bedingungen“zu knüpfen – und so Demütigungen zu vermeiden. Das Tauziehen währte bis spät in die Nacht.
Eine Vergemeinschaftung von Schulden war unter dem Schlagwort Eurobonds während der Eurokrise heftig debattiert worden. In der Coronakrise ist die Forderung wieder aufgetaucht – und kommt nicht nur von sozialdemokratischer Seite.
„Wir brauchen Corona-Anleihen zur Finanzierung der gemeinsamen Aufbauhilfe“, erklärte auch Othmar Karas am Dienstag. „Wer ein solches solidarisches Finanzinstrument ablehnt, schadet Europa und damit sich selbst.“Damit stellte sich der Vizepräsident des EU-Parlaments und frühere ÖVPDelegationsleiter in der Europapolitik einmal mehr gegen die Linie seiner Partei.