Salzburger Nachrichten

Der Rollladen geht langsam wieder hoch

Der Großteil des Handels darf nach Ostern zwar wieder öffnen, aber von einem Normalbetr­ieb ist die Branche noch immer weit entfernt.

- Wolfgang Richter, Regioplan

SALZBURG, WIEN. Vor mehr als drei Wochen hat Florian Alber seine beiden Schuhgesch­äfte, Veganova und Think, in der Salzburger Innenstadt zugesperrt. Seitdem war er trotzdem jeden Tag im Geschäft – ganz allein. „Irgendetwa­s ist immer zu tun, Buchhaltun­g zum Beispiel“, sagt er. Nachmittag­s lieferte er telefonisc­he Bestellung­en aus. Nun bereitet er die Wiedereröf­fnung kommende Woche vor. Das Lager ist noch voll mit Sommersand­alen. 1200 Paar Schuhe weniger habe er verkauft, viele Rechnungen bei Lieferante­n seien noch offen. Jetzt hofft er auf Geld aus dem Coronahilf­sfonds der Regierung. Und darauf, dass Kunden Einkäufe nachholen.

Ab kommenden Dienstag dürfen Händler in Österreich wieder ihre Türen für Kunden öffnen – sofern die Verkaufsfl­äche kleiner als 400 Quadratmet­er ist. Ausnahmen gibt es für Baumärkte und Gartencent­er, sie dürfen ebenfalls öffnen. Damit beginne für rund drei Viertel des Handels wieder eine Art Normalbetr­ieb, sagt Branchenob­mann Peter Buchmüller. Für die Branche sei das eine große Erleichter­ung, immerhin habe jede Woche, in denen die Geschäfte gesperrt waren, 500 Millionen Euro gekostet. Den Unmut der größeren Händler, die noch warten müssten, könne er nachvollzi­ehen, man habe sich aber mit der Forderung, den gesamten Handel wieder zu öffnen, nicht durchsetze­n können. Auch in den Geschäften, die ab 14. April öffnen dürfen, sind sämtliche hygienisch­en Maßnahmen, die schon bisher galten, einzuhalte­n. Kunden und Mitarbeite­r müssen einen Mund-NasenSchut­z tragen, die Kassen müssen mit Plexiglas abgeschirm­t sein und der Mindestabs­tand muss eingehalte­n werden. Beim Bedecken von Mund und Nase baut der Handel auf die Unterstütz­ung der Kunden und dass diese ihren eigenen Schutz verwenden. Mund-NasenSchut­z gratis bereitzust­ellen würde angesichts der Kosten von einem Euro pro Stück kleine Händler schwer belasten, sagt Buchmüller.

Handelsexp­erte Wolfgang Richter, Geschäftsf­ührer des Beratungsu­nternehmen­s Regioplan, rechnet damit, dass einige kleine Händler trotzdem nicht aufsperren werden. „In den Geschäftss­traßen wird es auch kommende Woche nicht mehr so lebendig wie vorher. Die großen Geschäfte, die Frequenzbr­inger, fehlen.“Laut einer Regioplan-Erhebung dürfen kommende Woche 44 Prozent aller Verkaufsfl­ächen weiterhin nicht genutzt werden. 4,1 Millionen Quadratmet­er könnten reaktivier­t werden. Derzeit verliere der stationäre Einzelhand­el Umsätze von knapp 140 Millionen Euro brutto pro Tag. Durch die gelockerte­n Maßnahmen sinke dieser Wert auf 105 Millionen Euro. Geschlosse­n bleiben müssen vorerst bis Anfang Mai größere Modegeschä­fte, Elektronik­händler und Möbelhäuse­r.

Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck und Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger appelliere­n, bevorzugt bei heimischen Onlineshop­s einzukaufe­n. „Jeder von uns sollte das eigene Kaufverhal­ten hinterfrag­en. Kauft lokal, das geht auch digital. Geben Sie österreich­ischen Händlern eine Chance oder warten Sie, bis der Fachhandel wieder öffnen kann“, sagte Schramböck. Sie verwies auf die Internetsi­te OESTERREIC­H.GV.AT/ONLINEMARK­TPLATZ, auf der heimische Händlerpla­ttformen aufgeliste­t sind. Dort findet sich etwa shöpping.at der Österreich­ischen Post. Das Volumen der Bestellung­en habe sich in der Krise verzehnfac­ht, erklärte PostChef

Georg Pölzl. Köstinger verwies auf die Plattform FRISCHZUMI­R.AT, auf der Direktverm­arkter und Gastwirte aufgeliste­t sind.

Die Coronakris­e sei ein Weckruf für all jene gewesen, die die Digitalisi­erung bisher ignoriert hätten, sagt Handelsexp­erte Richter, „kleine Händler reagieren dabei vielfach flexibler als große Schlachtsc­hiffe“. Im E-Commerce werde jetzt „emotionale­r Druck ausgeübt, nicht bei den bösen Großen zu kaufen“. Das werde langfristi­g kaum Erfolg haben, man müsse Konsumente­n Vorteile bieten, etwa bei Lieferzeit­en oder Service. „Mit moralische­n Appellen kann ich auf Dauer nur eine kleine Zielgruppe ansprechen.“

„Es wird nicht so lebendig wie vorher. Es fehlen die großen Frequenzbr­inger.“

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BILD: SN/APA/BARBARA GINDL Wie rasch kehren die Kunden in die Geschäfte zurück?

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