Österreichs größte Orgel bleibt stumm
Es hätte die letzte Karwoche ohne Riesenorgel im Wiener Stephansdom sein sollen. Aber sie kann weder zu Ostern noch bald danach erklingen.
Gegen das Virus kommt auch Österreichs größte Orgel nicht an. Nach der Karwoche, in der ja alle Orgeln stumm sind, hätte die neue Riesenorgel im Wiener Stephansdom mit 185 Registern und rund 15.000 Pfeifen erstmals seit dreißig Jahren wieder erklingen sollen. Doch sie wird zu Ostern still bleiben müssen. Wegen des Coronaschutzes wird die Einweihung des Instruments auf der Westempore auf unbestimmte Zeit verschoben.
Konstantin Reymaier, Domkurat und Domorganist, hat den Bau der neuen Riesenorgel seit zehn Jahren begleitet. Die alte war dem Brand vor 75 Jahren zum Opfer gefallen: Am 11. April 1945 hatte das Feuer von umstehenden Häusern auf den Stephansdom übergegriffen. Tags darauf fiel die Pummerin zu Boden. Am 13. April stürzten Gewölbe ein.
Der Wiederaufbau des Stephansdoms wurde zum österreichischen Kraftakt. Doch trotz größter Anstrengungen – so wurde die neue Pummerin in St. Florian in Oberösterreich gegossen – fehlte Geld für eine neue Riesenorgel. Das Provisorium aus den 1950ern wurde wegen Mängeln 1991 stillgelegt. „Immer wieder fielen Pfeifen herunter und gefährdeten Kirchenbesucher“, schildert der Domorganist. „Wir mussten etwas tun.“Nach Einholung von sechs Angeboten und Einbindung des Denkmalamts bekam die Firma Rieger aus Schwarzach in Vorarlberg 2017 den Zuschlag. Die Orgelruine wurde bis auf das Gehäuse abgebaut, die Pfeifen wurden gesäubert, überprüft und in die neu aufgestellten Register eingebaut.
„Die Größe allein ist kein Zeichen von Qualität“, erläutert Reymaier.
Vielmehr müsse jedes Register eine klangliche Bereicherung bieten, sodass das Instrument eine „eigene Klangfarbe“habe. Mit der Erneuerung sei die Riesenorgel unter die „Top 10 in Europa“katapultiert. Das dürfte in der Nachbarschaft die Konkurrenz bereichern: „Passau stockt jetzt auf 220 Register auf.“
Über 50 Fachleute hätten am Bau des Rieseninstruments gearbeitet, sagt Stephan Niebler von der Firma Rieger. Er machte mit zwei Kollegen die letzten Ein- und Aufbauten auf der Westempore, bis wegen der Anti-Corona-Bestimmungen Mitte März auch diese Baustelle zu schließen war. Neben der schieren Größe nennt Niebler die „nicht leichte Akustik“des Doms als Herausforderung für die Orgelbauer.
„Sobald 500 bis 600 Leute im Dom sind, ist es akustisch wie in einem Wohnzimmer. Der Sandstein und die Verzierungen stoppen den Klang“, sagt Konstantin Reymaier. „Es war schwierig, den Klang im Dom nach vorn zu bringen. Das haben wir mit überdurchschnittlichen Windrücken und mit der Mensur geschafft, dem genau abgestimmten Verhältnis von Länge und Breite der Pfeifen. Hier fahren wir mit breiten Mensuren, sodass die Pfeifen nicht schrill klingen, aber der Klang nach vorn geht.“Dritte Herausforderung war der Spieltisch: Fünf Manuale, acht Schwellpedale stellen hohe Anforderungen an Orgelbau- wie Orgelspielkunst.
Auf der Höhe der Zeit wird die Musik zur Einweihung sein – wenn nicht am Ostersonntag, dann beim künftigen Termin: Das neue Orgelleben soll mit der Messe „Salve Regina“für Soli, Chor und zwei Orgeln von Yves Castagnet, dem „Organiste Titulaire“von Notre-Dame in Paris, beginnen. Danach sollen Variationen acht zeitgenössischer Komponisten zum Wienerlied von Karl Hodina „Herrgott aus Sta“erklingen.