Urlaub in der Heimat soll Tourismus retten
Ab Mitte Mai dürfen Hotels nach und nach wieder öffnen. Die Regierung bittet, den Sommerurlaub im Inland zu buchen. Touristiker stellen sich eine große Frage: Kommt der deutsche Gast?
Angesichts der dramatischen Lage im Tourismus richtet die Regierung an die Bürger den Appell, den Sommerurlaub in Österreich zu buchen. Das könne allerdings nur die schlimmsten Effekte mildern, sagen Experten. 70 Prozent der Übernachtungen gehen auf das Konto von Ausländern.
Der Weißensee schillert grünblau, und der Wind treibt kleine Wellen über die Oberfläche. Das Stift Melk leuchtet ockergelb im Sonnenlicht: Die Österreich Werbung bietet derzeit virtuelle Spaziergänge heimischer Naturund Kulturstätten an. Bald soll das wieder in der Realität möglich sein. Gastronomie, Hotellerie und Freizeitwirtschaft dürften ab Mitte Mai wieder öffnen – allerdings nur schrittweise, kündigte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) an. Konkreteres könne man erst Ende April sagen. Klar sei, dass der Zeitpunkt der Öffnung von der Dichte der Kontakte abhänge. „In einem Selbstversorgerapartment habe ich andere Voraussetzungen als in einem großen Frühstücksraum“, sagte Köstinger. Der Tourismus habe eine Vollbremsung hingelegt. Umso wichtiger sei es nun, ihn zu stärken. „Jeder, der einen Sommerurlaub plant, sollte darüber nachdenken, ihn heuer in Österreich zu verbringen.“Schließlich sei ein Ende der Einschränkungen der Reisefreiheit außerhalb des Landes nicht absehbar. Vieles liege schlichtweg nicht in der Hand der Regierung, fügte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hinzu: „Wir können nicht beschließen, ob jemand im Juli in sein Ferienhaus in Griechenland fahren kann.“
Die Lage in vielen Betrieben ist dramatisch. 36 Prozent der Sommerbuchungen seien storniert, sagt Michaela Reitterer, Präsidentin der Hoteliervereinigung. „Da gehen selbst finanziell fitte Betriebe über kurz oder lang in die Knie.“Sie wünscht sich neben einer Werbekampagne für Urlaub in der Heimat einen einmaligen Urlaubszuschuss der Regierung, damit sich Menschen eine Reise auch nach Einkommensverlusten leisten können.
Kann der Inlandstourismus die Branche retten? „Ein Ausgleich ist unmöglich. Der Einbruch wird dramatisch“, sagt Peter Zellmann, der das Institut für Freizeit- und Tourismusforschung (IFT) in Wien leitet. Viele Österreicher würden dem Ruf sicher folgen, „weil ihnen eh nichts anderes übrig bleibt“. Ein Trend der vergangenen Jahre werde sich verstärken: Urlaub auf Balkonien. Zahlen des IFT zeigen, dass zuletzt ein Viertel der Österreicher im Inland verreiste, 30 Prozent den Urlaub aber zu Hause verbrachten. Offen sei, wie sich die Krise auf die Haushaltsbudgets auswirke und wie viele Tage im Sommer noch am Urlaubskonto stünden. Viele hätten schließlich ihre Jobs verloren oder müssten nun in der Krise ihren Urlaub nehmen. Wie viele Betriebe an der Krise zerbrächen, werde sich gerade im Westen erst in der Wintersaison zeigen, glaubt Zellmann. „Der Überbrückungskredit kommt, man schnauft durch, hantelt sich bis zum Winter und wird dann sehen, ob die Urlauber die Berichte über heimische Skigebiete bis dahin vergessen haben.“
Oliver Fritz, Tourismusexperte am Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo), hat in mehreren Szenarien errechnet, wie sich die Krise auf den Tourismus auswirkt. In der optimistischsten Annahme sinken die Nächtigungen 2020 um ein Viertel, in der pessimistischsten um 30 Prozent. Er schätzt, dass sich die Nachfrage aus dem Ausland frühestens im Herbst langsam erholt. „Der Inlandstourismus wird anspringen. Die zweite Hoffnung ist der deutsche Gast“, sagt Fritz. Drei Viertel der Nächtigungen wurden im Vorjahr von ausländischen Gästen gebucht. 37 Prozent entfallen allein auf Deutschland. „Werden die Grenzen wieder geöffnet, stehen die Chancen gut, dass Deutsche eher nach Österreich reisen, bevor sie nach Spanien fliegen. Gerade in den westlichen Bundesländern würde das die Verluste des Jahres wesentlich dämpfen.“
Fragen zu Urlaubsbuchungen in Österreich wurden Thomas Flöckner, Reiserechtsexperte bei der Salzburger Arbeiterkammer, zuletzt kaum gestellt. „Im Endeffekt geht es nur um Reisestornos“, sagt er. Selbst wenn man im August nach Mallorca fliegen dürfte, hätten viele ein mulmiges Gefühl dabei. „Sommer-Auslandsreisen kann man derzeit in der Regel aber nicht kostenlos stornieren“, sagt er. Er rät, abzuwarten. Beim Umwandeln von Auslands- in Inlandsurlaube sei man auf das Entgegenkommen der Reiseveranstalter angewiesen.
Anders sieht die Lage bei Reisen aus, die aktuell nicht angetreten werden können. Hier müssen Veranstalter oder Fluglinie die Kosten erstatten. „Gutscheine oder Umbuchungen werden oft angeboten, müssen vom Konsumenten aber nicht akzeptiert werden.“