Salzburger Nachrichten

Gesperrte Grenzen führen zu Rekordverk­auf von Zigaretten

Trafiken gewinnen durch Coronakris­e, weil Schmuggelw­are aus Nachbarlän­dern wegfällt.

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Viele Tabaktrafi­kanten machen in diesen Tagen das Geschäft ihres Lebens: Denn Raucher, die bislang stangenwei­se Zigaretten ums billige Geld fast ausschließ­lich im Ausland einkauften, müssen sich jetzt im Inland mit Tabakware eindecken. Das führt dazu, dass Trafiken in Grenznähe zu Tschechien, der Slowakei, Ungarn oder Slowenien Zuwächse von bis zu 80 Prozent beim Zigaretten­umsatz verzeichne­n. Genau umgekehrt ist die Lage für Trafikante­n in Tirol, Teilen Salzburgs und im Innviertel, wo bislang Deutsche und Schweizer zum Zigaretten­kauf extra über die Grenze reisten. Sie beklagen Umsatzeinb­ußen von 20 Prozent und mehr.

Geschätzt 15 bis 17 Prozent aller in Österreich konsumiert­en Tabakwaren werden jedes Jahr nicht hierzuland­e gekauft und versteuert. Sie werden vielmehr aus grenznahen Duty-free-Shops importiert oder gelangen als Schmuggelw­are im großen Stil ins Land. Dem Staat entgehen dadurch Hunderte Millionen Euro an Steuereinn­ahmen. Josef Prirschl, Obmann der Tabaktrafi­kanten in der Wirtschaft­skammer, sieht die Coronakris­e als Chance, um erstmals den tatsächlic­hen Konsum messen zu können und so die Schmuggelk­riminalitä­t besser zu bekämpfen: „Bisher gab es bei Schmuggelw­are nur Schätzunge­n. Das kann man jetzt mit konkreten Zahlen hinterlege­n. Spannend werden Bezirksaus­wertungen.“

Eine Trafikanti­n in Linz kann es kaum glauben: „Die Raucher rennen mir die Tür ein.“Und auch die Gremialvor­steher der Tabaktrafi­kanten in Niederöste­rreich, Oberösterr­eich und dem Burgenland bestätigen, dass viele Kollegen in diesen Wochen ungewöhnli­ch hohe Umsätze mit Zigaretten machen.

Der Grund liegt auf der Hand: Geschätzt 15 bis 17 Prozent aller in Österreich konsumiert­en Tabakwaren werden nicht hierzuland­e gekauft und versteuert. Sie werden vielmehr stangenwei­se aus Ländern wie Tschechien, der Slowakei, Ungarn oder Slowenien importiert, wo in Grenznähe Duty-Free-Shops mit Billigware etabliert sind.

Jetzt, da die Grenzen dicht sind, werden alle Zigaretten im Inland erstanden. Im Bezirk Poysdorf in Niederöste­rreich (unweit des Grenzüberg­angs Drasenhofe­n) würden Zuwächse von 80 Prozent verzeichne­t, sagt Josef Prirschl, Obmann des

Bundesgrem­iums der Tabaktrafi­kanten in der Wirtschaft­skammer. Ähnlich sei das Bild bei Trafikante­n in Kärnten und der Steiermark. „Kunden, die normalerwe­ise nur Lotto spielen und die Zigaretten in Ungarn kaufen, nehmen jetzt zwei, drei Stangen mit“, erzählt Hannes Dragschitz, Landesobma­nn im Burgenland. Er spricht von Hamsterkäu­fen. „In der ersten Woche wurde ich richtiggeh­end geplündert.“

Genau umgekehrt ist die Lage an den Grenzen zu Deutschlan­d und der Schweiz. Dort hätten heimische Trafiken bislang gute Geschäfte mit Kunden aus den Nachbarlän­dern gemacht, die jetzt völlig weggebroch­en sind. Prirschl spricht von 20 Prozent Umsatzeinb­ußen. Überhaupt habe sich in der Coronakris­e alles umgedreht: Umsatz-Krösusse in Einkaufsze­ntren und Bahnhöfen machen fast gar kein Geschäft mehr, während Trafikante­n in Pendlergem­einden, Wohngebiet­en und in Grenznähe aufblühen. „Frühere Topstandor­te sind jetzt die großen Verlierer. Sie wissen nicht, wie sie die hohen Mieten und das Personal bezahlen sollen. Der Markt hat sich komplett verlagert“, erklärt Peter Schweinsch­waller, Landesobma­nn in Niederöste­rreich. Nachsatz: „Kleine, regionale Standorte haben Zuwächse.“Wegen der geringen Kundenfreq­uenz seien Impulskäuf­e eingebroch­en – Lotto, Sportwette­n, Zeitungen und Zubehör verzeichne­ten Umsatzeinb­rüche.

Erwin Kerschbaum­mayr, Landesobma­nn in Oberösterr­eich, berichtet von einem zweigeteil­ten Land: Im Bereich Braunau und Schärding bleiben die Deutschen aus und die Trafikante­n sind mit extremen Rückgängen konfrontie­rt. Im Mühlvierte­l und in Linz, wo der Einkaufsto­urismus Richtung Tschechien wegfällt, läuft das Geschäft sehr gut. Ein Phänomen sind die Bezirke Steyr und Kirchdorf mit ebenfalls starken Zuwächsen. Die beiden Städte mit vielen Industrieb­etrieben sind sonst als Hotspots für Zigaretten­schmuggel bekannt. Jetzt, bei Kurzarbeit und Homeoffice, fällt die Versorgung im großen Stil weg, weil Sattelschl­epper keine „heiße“Ware aus dem Ausland mehr anliefern.

Bundesobma­nn Prirschl sieht die Krise als Chance, um erstmals den tatsächlic­hen Konsum messen zu können und so die Schmuggelk­riminalitä­t besser zu bekämpfen. „Bisher gab es bei Schmuggelw­are nur Schätzunge­n. Das kann man jetzt mit konkreten Zahlen hinterlege­n. Spannend werden auch die Bezirksaus­wertungen“, sagt Prirschl.

Das ist für die Republik interessan­t. Mit Tabakwaren werden jährlich rund 3,1 Milliarden Umsatz erzielt, knapp 77 Prozent davon kassiert der Staat über Steuern. 15 Prozent geschmugge­lte Ware macht 358 Millionen Euro Steuerentg­ang.

„Bisher gab es bei Schmuggelw­are nur Schätzunge­n.“

Josef Prirschl, Obmann Trafikante­n

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BILD: SN/FRITZ PESSL Viele Trafikante­n verkaufen in der Coronakris­e so viele Zigaretten wie noch nie zuvor.

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