Warum sich die EU mit der Coronahilfe so plagt
Der erste Versuch scheiterte an den Niederlanden und Italien. Und dem fehlenden Vertrauen.
Auch Politiker sind nur Menschen. Und nach 16-stündigen Verhandlungen geht irgendwann nichts mehr. Mittwoch früh haben die EU-Finanzminister aufgegeben – vorerst. Am Donnerstag geht es weiter mit dem Versuch, ein Corona-Rettungspaket für die europäische Wirtschaft zu schnüren.
Wenn es nach Deutschlands Finanzminister Olaf Scholz (SPD) geht, soll das mehr als 500 Milliarden schwere Paket diesmal zugemacht werden: „Ich hoffe, dass wir vor Ostern noch letzte Erleuchtungen haben.“Fast sei man sich schon einig gewesen, erzählte Scholz, aber eben „nicht ganz“. Gefehlt hat es an den Niederlanden und Italien – und am gegenseitigen Vertrauen.
Der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra verknüpfte die Kreditvergabe aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) mit Bedingungen. Die Schuldner müssten strukturelle Reformen durchführen, etwa im Sozialoder Pensionssystem, forderte der Christdemokrat.
Das ist im ESM bisher auch so vorgesehen. Deshalb stand Griechenland in der Eurokrise de facto unter Aufsicht einer „Troika“und musste den Staatshaushalt von Grund reformieren. Hart und demütigend war das.
Für die drittgrößte Volkswirtschaft der EU kommt es nicht infrage, sich unter Kuratel stellen zu lassen. Italiens Finanzminister, der Sozialdemokrat Roberto Gualtieri, sagte „No“zu Bedingungen.
Italien ist aber mit einer Staatsverschuldung von 137 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ein Problemkind der Eurozone. Es entging nur knapp einem EU-Defizitverfahren. Das macht die Niederlande, die strikte Austeritätspolitik verfolgen, misstrauisch. Sie fürchten um die Maastricht-Kriterien.
Italien ist neben Spanien das von der Coronakrise am schwersten getroffene Land. Es braucht am dringendsten Hilfe. Daher ruft es nach Solidarität. Es hat diese von den anderen EU-Staaten nur zögernd oder gar nicht erhalten. Mit Schutzausrüstung für das geprüfte Land sprang China ein, nicht die EU. Diese Erfahrung macht Italien sensibel gegenüber harschen Bedingungen aus dem Kreis der EU-Partner.
Deshalb hat Deutschland neue Kriterien für die Vergabe von ESMKrediten
vorgeschlagen, die sich ausschließlich auf die Coronakrise beziehen. Forderungen nach Strukturreformen wie im Pensionssystem seien „nicht zielführend und nicht angemessen“, wie Scholz sagte. Österreich wäre so wie die Mehrheit der Staaten zu diesem Kompromiss bereit gewesen.
Vielleicht gelingt das Osterwunder noch, auf das Scholz hofft. Das strittige Hilfspaket wird ohnedies nur das erste von mehreren sein. Als Nächstes wird man über eine Wiederaufbauhilfe reden. Und da dürften auch die Coronabonds, die Italien, Spanien, Frankreich und eine ganze Reihe anderer Länder fordern, wieder ins Spiel kommen.
Der Finanzbedarf ist riesig. Die Europäische Zentralbank rechnet mit bis zu 1,5 Billionen Euro. Das ist das Dreifache dessen, worüber jetzt gestritten wird. Angesichts dieser Dimension können sich Minister doch kein Menscheln mehr leisten.
„Ich hoffe auf Erleuchtungen vor Ostern.“