Ungebremst in den Ruhestand
Grasskifahrerin Jacqueline Gerlach gewinnt den Bronzenen Löwen. Zum Abschluss ihrer Laufbahn dominierte die 29-jährige Flachgauerin wie nie zuvor. Der Abschied vom Rennsport fiel der Seriensiegerin aber leicht. Nicht nur als Wirtin hat sie viel zu tun.
Jacqueline Gerlachs letzte Weltcupsaison als Grasskifahrerin glich einer nicht enden wollenden Triumphfahrt. Die 29-Jährige aus Hintersee gewann 13 von 15 Rennen, sicherte sich zum zweiten Mal den Gesamtweltcup und entschied alle vier Disziplinenwertungen für sich. Zudem holte sie ihre WM-Medaillen Nummer sechs und sieben. Als die Athletin des SC Kaprun am 15. September in Schilpario, Italien, mit dem achten Sieg in Serie ihre Karriere beendete, tat sie dies in der Form ihres Lebens. Monate später räumte sie nun auch bei der Leonidas-Sportlerwahl ab. Ihr erster Löwe glänzt in Bronze. „Super, dass es am Ende der Karriere noch mit so einer Auszeichnung geklappt hat“, freut sich Gerlach, der die Überraschung am Telefon doch anzuhören ist. „Ich war ein paar Mal nominiert und bei der Gala. Da hofft man natürlich auf einen Löwen. Aber gerechnet habe ich damit als Randsportlerin nicht.“
Zwölf Saisonen lang ist Gerlach, die sich zwischenzeitlich auch als Fitnesssportlerin versuchte, auf Grasski im Weltcup unterwegs gewesen. 77 Mal stand die Flachgauerin auf dem Podest, dabei 37 Mal ganz oben. Als sechsfache Juniorenweltmeisterin
kürte sie sich 2017 vor heimischem Publikum in Kaprun auch zur Doppelweltmeisterin der allgemeinen Klasse. Dass sie diese Titel im Vorjahr nicht verteidigen konnte und sich mit zwei Mal Silber begnügen musste, blieb der einzige kleine Schönheitsfehler einer ansonsten perfekten Abschlusssaison. Gewann sie nicht, wurde sie Zweite. Gerlach betont: „Mir ist alles leicht von der Hand gegangen.“
Und das, obwohl die Umstände nicht schwieriger hätten sein können. Eineinhalb Wochen vor dem Weltcupstart verstarb Anfang Juni 2019 völlig unerwartet ihre drei Jahre jüngere Schwester Nicole. „Da wollte ich schon alles hinwerfen. Weiterzufahren war aber die richtige Entscheidung. Nach so einem Schicksalsschlag sind Ausfälle, Punkte oder Siege nebensächlich. Man sieht alles anders. Ich bin daher viel lockerer auf den Ski gestanden und gefahren, was ich kann“, erklärt Gerlach, die das Ende einer kräftezehrenden Saison dennoch herbeisehnte. Im Dezember 2018 hatte sie mit ihrer Mutter als Küchenchefin das Liftstüberl Hintersee übernommen. Zudem kümmert sich die Familie seit Nicoles Tod drei Tage pro Woche um deren Sohn Maximilian. „Er ist unser kleiner Strahlemann und das Allerwichtigste“, sagt Gerlach, deren Prioritäten sich verschoben haben. „Der Rennsport war eine super Erfahrung, der berufliche Schritt aber nötig. Parallel war das alles irrsinnig stressig. Ich war am Schluss an meinen Grenzen und froh, dass es vorbei ist.“
Eine Herausforderung beschert der Vollblut-Wirtin auch die Coronakrise. Der Gasthof ist geschlossen. Mit Essen auf Rädern und einem Abholservice versucht das Team die Situation zu meistern. Ein Hoffnungsschimmer ist die Aussicht auf einen Investor im Skigebiet. „Das wäre für die Region sehr wichtig“, sagt Gerlach, die auch nach dem Karriereende nicht ohne Bewegung auskommt. „Es gibt keinen Tag ohne Sport.“
Lesen Sie im SN-Sport am Freitag, wer in der Kategorie „Beste Sportlerin des Jahres“den Silbernen Löwen als Zweite erhält.