Gegenstimmen werden lauter
Gemeinsam gegen die Krise – aber wie? Die Opposition vermisst parlamentarische Kontrolle, die Verwaltungsrichter warnen vor Grundrechtseinschränkungen.
Bis zu 15 Milliarden umfasst der Hilfsfonds, der Unternehmen, die wegen Corona in Liquiditätsschwierigkeiten kommen, über die Krise helfen soll. Die Errichtung dieses Fonds ist im Parlament einstimmig erfolgt. Über die Abwicklung der Zahlungen hingegen ist nun ein Streit entbrannt, der darauf hindeutet, dass der Schulterschluss bei der Bekämpfung der Krise in Auflösung begriffen ist.
Hintergrund: Die Verwaltung der Hilfsgelder erfolgt durch eine eigens gegründete Agentur namens COFAG (Covid-19-Finanzierungsagentur). Diese Agentur besteht aus einer zweiköpfigen Geschäftsführung sowie einem Aufsichtsrat. Um die Geldvergabe nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch zu kontrollieren, wurde darüber hinaus ein COFAG-Beirat eingerichtet. In diesen können sämtliche Sozialpartner und die Opposition ihre Vertreter entsenden.
Während die Sozialpartner bereits ihre Nominierungen für den
Beirat bekannt gegeben haben, kommt aus den drei Oppositionsparteien lauter Protest. SPÖ, FPÖ und Neos fordern statt des (wie sie finden: zahnlosen) Beirats die Einrichtung eines Unterausschusses im Parlament, der die Kontrolle vornehmen soll. Noch nie hatte ein Finanzminister derartig viel Geld zu verteilen, daher sei parlamentarische Kontrolle unerlässlich, sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner am Osterwochenende. Und FPÖKlubchef Herbert Kickl sprach gar den Verdacht aus, dass hier „Milliarden aus dem schwarz-grünen Hinterzimmer“verteilt werden sollten.
In der Tat hat der geplante Beirat nur beschränkte Kompetenzen. Er kann Entscheidungen von COFAGGeschäftsführung und -Aufsichtsrat nicht wirklich verhindern. Dies könnte der von der Opposition gewünschte Parlaments-Unterausschuss
freilich ebenso wenig. Der Sinn des Beirats besteht auch eher darin, dass die Sozialpartner und die politischen Parteien über die Geldflüsse voll informiert sind und auf diese Weise ihre Kontrolle ausüben können. Die COFAG kann trotz des Streits ihre Arbeit aufnehmen. Sollte die Opposition den Beirat boykottieren, bleiben die ihnen zustehenden Sessel eben unbesetzt.
Auch auf einer anderen Ebene erhielt die Regierung am Osterwochenende Gegenwind. Die Vereinigung der Verwaltungsrichter appellierte an die Regierung, bei ihren Maßnahmen „die Grundsätze des Rechtsstaats nicht außer Kraft zu setzen“und Verhältnismäßigkeit zu wahren. Besonders wichtig wäre ein rascherer Rechtsschutz, sagte der Sprecher der Verwaltungsrichter, Markus Thoma.
Im Besonderen fordern die Verwaltungsrichter „schnellere Normprüfungsverfahren, mit einer Möglichkeit für den Verfassungsgerichtshof, auch rasch einstweilige Maßnahmen zu erlassen“. Denn bisher wurden freiheitsbeschränkende Maßnahmen nur durch individuelle Bescheide von Gerichten oder Behörden gegenüber einer einzelnen Person verhängt, gegen die direkt Einsprüche – mit aufschiebender Wirkung – möglich sind. Jetzt hingegen werde die Freiheit der Bürger generell durch die Covid-19-Gesetze und Verordnungen beschränkt. Das bedeutet einen stark verlangsamten Rechtsschutz, denn diese Regelungen könnten nur im Zuge des meist deutlich länger dauernden Verfahrens beim Verfassungsgerichtshof bekämpft werden. „Damit wird die Entscheidung, ob eine Maßnahme im Einklang mit der Rechtsordnung steht, auf die lange Bank geschoben“, stellte Thoma fest.
Grundrechtliche Fragen werden auch in der Regierung diskutiert. So wurde etwa die Überlegung, die Bürger zur Installierung der Rotkreuz-Tracking-App gesetzlich zu verpflichten, wieder fallen gelassen – auf Druck der Grünen, wie die Grünen betonen.