„La Flor“: Der große Kinomarathon lässt sich auf die Couch verlegen
Sie wirft ihrem Partner einen intensiven Blick zu. Das Schlagzeug setzt ein, die Gitarre, dann ihr Gesang. „Ich bin das Feuer, das dich verfolgt, das deine verdammte Seele zu Asche verbrennt. (...) Ich bin deine Bedrohung, deine Folter“– und doch ist es ein Liebeslied, einer der erschütterndsten Momente in „La Flor“, jenem knapp 14-stündigen Film, der 2018 in Locarno seine Premiere feierte, 2019 ein paar Mal im Kino gezeigt wurde und nun auf die zwar nicht ideale, aber bequemste Weise zu sehen ist: per Streaming im Internet.
Regisseur Mariano Llinás hatte sein Riesenwerk zwar für das Kino konzipiert, doch der zeitliche Umfang machte das zur Herausforderung. Per Streaming wird „La Flor“nun zugänglicher. Um die 14 Stunden fassbar zu machen, beginnt der Film mit Llinás persönlich, der die Struktur aufzeichnet: Wie ein fünfstrahliger Blütenkelch sei „La Flor“, mit einer sechsten Filmerzählung, die alles stütze, so erläutert er.
Es sind vordergründig nicht zusammenhängende Episoden, die erste ein raues B-Movie: Eine Archäologin und eine Ärztin stoßen bei der Aufarbeitung einer Ausgrabung am Osterwochenende auf Komplikationen, als einer Mumie die Augen gestohlen werden und ein uralter Fluch wirksam wird.
Ein Eifersuchtsmelodram zwischen einem Sänger und einer Sängerin ist die nächste Episode. Ihre Versöhnung wird von den Machenschaften eines italienischen Mafiaclans hintertrieben, alles gipfelt im eingangs beschriebenen Duett.
Die dritte Episode ist wie ein internationaler Agententhriller, lakonisch und melancholisch und über weite Strecken auf Französisch, weil es das Genre eben so verlangt.
Jede Episode ist eine neue Überraschung, eine verschmitzte und subversive Verbeugung vor einem Genre. Neun Jahre lang hat Llinás an dem kompromisslos verspielten, ideenreichen, kinoverliebten Epos gearbeitet, dessen roter Faden seine vier ausgezeichneten Hauptdarstellerinnen sind, die in jeder Episode vorkommen. In acht Akten ist der Film zum Streamen verfügbar, 30 Tage lang, mit allerdings nur englischen Untertiteln: eine herrliche Herausforderung für Tage, die zu Hause verbracht werden müssen.