Salzburger Nachrichten

Spanier gehen wieder arbeiten

Trotz immer noch steigender Infektions­zahlen wagt Spanien erste Lockerunge­n. Baugewerbe und Industrie werden wieder hochgefahr­en.

- RALPH SCHULZE

MADRID. Zwei Meter Sicherheit­sabstand. Misstrauis­che Blicke der Menschen, die in den U-Bahn-Stationen auf den nächsten Zug warten. Schutzmask­en oder Tücher vor Mund und Nase. Hunderttau­sende Menschen waren am Ostermonta­g, der in Spaniens Hauptstadt Madrid kein Feiertag ist, wieder auf dem Weg in die Arbeit. Spanien, das in Europa am schlimmste­n von der Coronapand­emie betroffen ist, fährt nach zwei Wochen Stillstand die Wirtschaft wieder hoch.

Ein gewagter Schritt. Aber Regierungs­chef Pedro Sánchez sieht sich dadurch bestätigt, dass die Infektions­kurve deutlich abflacht: Der Anstieg der Neuerkrank­ungen betrug am Ostermonta­g nur noch rund zwei Prozent gegenüber dem Vortag – der niedrigste Zuwachs seit Beginn der Coronakris­e. Insgesamt wurden 169.500 bestätigte Infektions­fälle gemeldet. Zudem sind bisher 17.500 Todesfälle erfasst.

„Wir sind auf dem Weg, den Brand, den die Pandemie ausgelöst hat, unter Kontrolle zu bekommen“, sagt Sánchez. „Aber wir müssen weiterhin wachsam sein.“Die Gefahr sei noch nicht gebannt.

Vor allem aus Katalonien, zusammen mit der Region Madrid spanischer Brennpunkt in der Coronakris­e, kamen Bedenken wegen der von Sánchez verkündete­n Lockerung des Arbeitsver­bots: „Das Risiko eines Rückfalls ist enorm“, erklärte der katalanisc­he Regionalpr­äsident Quim Torra. „Es ist leichtfert­ig und unverantwo­rtlich, die Leute wieder zur Arbeit zu schicken.“

Seit dem 30. März standen Fließbände­r und Baukräne nun still. Nur systemrele­vante Branchen wie Gesundheit, Sicherheit, Energie, Transport, Ernährung und Landwirtsc­haft funktionie­rten noch. Mit diesem zweiwöchig­en „Winterschl­af“, wie die spanische Regierung den Shutdown nannte, sollte die Ausbreitun­g des Virus gebremst werden. Aber es war ein umstritten­er Schritt. Die Arbeitgebe­r warfen Sánchez vor, „die Wirtschaft zu ersticken“. Der Druck auf die Regierung wurde so groß, dass Sánchez nun wieder auf den grünen Knopf drückte. Es ist ein Teilstart: Zuerst läuft diese Woche der Alltag in der Industrie und der Bauwirtsch­aft wieder an – zwei Schlüsselb­ranchen, die zusammen mehr als 20 Prozent des spanischen Bruttoinla­ndsprodukt­s ausmachen.

Es gelten strenge Sicherheit­sregeln: Industrie- und Bauarbeite­r sollen untereinan­der Abstand halten. Wenn möglich, müssen sie Mund-Nasen-Maske tragen. Nach jedem Tag ist die Kleidung heiß zu waschen. In Bus und Bahn darf bei der Fahrt zur Arbeit möglichst nur jede zweite Sitzreihe besetzt werden und dann auch lediglich von einem einzelnen Fahrgast.

Auch wenn sich über den Baustellen Madrids nun wieder Kräne drehen: Weite Teile der Millionens­tadt liegen immer noch im Tiefschlaf. Die Ausgangsbe­schränkung­en für die Mehrheit der Bevölkerun­g blieben in Kraft, verkündete Premier Sánchez.

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BILD: SN/APA/AFP/JAVIER SORIANO Für viele Spanier beginnt ein neuer Arbeitsall­tag.

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