Salzburger Nachrichten

„Wir waren auf das Schlimmste vorbereite­t“

Das Rote Kreuz plante mit Zuständen wie in der Lombardei. Der Einsatz könnte noch Monate dauern, sagt Rettungsko­mmandant Anton Holzer.

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Die Coronaviru­s-Pandemie ist selbst für das krisenerpr­obte Rote Kreuz eine Herausford­erung. Zwischenze­itlich mussten bis zu 63 Mitarbeite­r in Quarantäne, schildert Landesrett­ungskomman­dant Anton Holzer im Interview. Das sei eine „neue Dimension“gewesen. Probleme habe es auch mit einzelnen Firmen gegeben, die Mitarbeite­r wegen der Furcht vor einer Ansteckung nicht freistelle­n wollten. Dennoch sei das Rote Kreuz für einen monatelang­en Einsatz gerüstet.

SN: Seit Tagen werden mehr Genesene als Neuinfekti­onen mit dem Coronaviru­s registrier­t. Sind wir schon über den Berg?

Anton Holzer: Entscheide­nd ist jetzt, wie wir alle uns in den nächsten Monaten verhalten. Diese Pandemie ist nicht vorbei. Dasselbe gilt für den Einsatz des Roten Kreuzes. Der wird noch länger dauern. Er wird nicht so intensiv sein wie in den vergangene­n Wochen, weil die Zahl der Infektions­transporte abnimmt. Aber solange es Infizierte gibt, wird man auch Leute ins Spital bringen müssen.

SN: Wie hat die Coronakris­e bisher das Rote Kreuz beanspruch­t?

Wir haben knapp 700 Infektions­transporte durchgefüh­rt. Das ist viel, sonst sind es vielleicht 20 im Jahr. Jeder dieser Transporte ist ein Riesenaufw­and. Man muss das Fahrzeug vorbereite­n und danach desinfizie­ren, die Mitarbeite­r müssen Schutzausr­üstung tragen. Wir haben uns Ende Jänner schon vorbereite­t. Ab März waren wir richtig gefordert. Im Durchschni­tt waren 100 Mitarbeite­r mehr im Einsatz, etwa für die Gesundheit­snummer 1450, die mobilen Testteams und die Drive-in-Stationen.

SN: Wie unterschei­det sich diese Pandemie von anderen Ereignisse­n?

Wir haben schon sehr viele Großereign­isse und Katastroph­eneinsätze gehabt. Neu war die Dimension, dass eigene Mitarbeite­r ausfallen, weil sie sich in Quarantäne begeben mussten. Die maximale Zahl war 63. Uns hat auch beschäftig­t, dass einzelne Firmen unseren Freiwillig­en den Rettungsdi­enst verboten haben. Aus Sorge, dass sich die Leute anstecken. Auf der anderen Seite haben wir sehr viele Unternehme­n, die uns unterstütz­t haben mit Sachspende­n oder indem sie ihre

Mitarbeite­r freigestel­lt haben.

SN: Wie ist die Größenordn­ung dieses Einsatzes einzuordne­n? Die Flüchtling­skrise war sehr personalin­tensiv und hatte eine zeitliche Dimension, die uns sehr gebunden hat. Anders bei der Pandemie ist, dass alle unsere Bereiche betroffen sind. Herausford­ernd ist auch, dass man Patienten transporti­ert, die hoch infektiös sind, wo auch beim besten Schutz immer ein Risiko besteht, dass man sich ansteckt. Sehr erfreulich ist, dass wir sofort Mitarbeite­r gefunden haben, die auch dann helfen wollen, wenn es gefährlich ist. Das ist nicht selbstvers­tändlich.

SN: Worauf waren Sie vorbereite­t?

Wir haben in unserer Einsatzpla­nung zwei Ansätze geprüft. Wir haben die Anzahl der Fälle in Italien bzw. in der Lombardei verglichen. Da haben wir für den Worst Case die Provinz Bergamo herangezog­en. Als sich herausgest­ellt hat, dass es nicht so schlimm wird, haben wir uns auf die Prognose des Landes eingericht­et, die noch immer sehr hoch angesetzt war. Wir waren wirklich auf den schlimmste­n Fall vorbereite­t und hätten auch dann noch den Rettungsdi­enst sicherstel­len können.

SN: Wie lang ist so ein Einsatzumf­ang aufrechtzu­erhalten?

Wir sind vorbereite­t, das noch auf Monate so zu führen. Prognosen

sind schwierig. Es hat im Februar keiner wissen können, wie es im März ausschaut. Deswegen hat es die Ansätze wie mit dem Zusatzspit­al im Messezentr­um gegeben. Gott sei Dank hat man das alles nicht gebraucht.

SN: Es gab massive Probleme bei der Verfügbark­eit von Schutzausr­üstung. Wie soll man künftig damit umgehen? Ein wirklicher Engpass war bei den Masken. Die Abstimmung mit den Salzburger Landesklin­iken hat sehr gut funktionie­rt. Wir haben uns gegenseiti­g ausgeholfe­n. Wichtig wäre, dass man das österreich­weit betrachtet und es eine Bevorratun­g gibt. Uns haben die Masken geholfen, die 2006 für die Grippepand­emie gekauft worden sind.

SN: Könnte es noch einmal eng werden?

Es gibt eine Entspannun­g. Die Nachschubl­inie funktionie­rt, wir bekommen laufend Schutzaus

rüstung. Wir sollten das Auslangen finden, wenn es nicht wieder zu mehr Fällen und Einsätzen kommt.

SN: Was können wir aus der Pandemie lernen, zum Beispiel beim Krisenmana­gement?

Das war sehr profession­ell. Wir haben in Salzburg mehrere Ansprechpa­rtner: Den Einsatzsta­b des Landes, zusätzlich den medizinisc­hen Einsatzsta­b und dann gibt es noch die Landessani­tätsdirekt­ion. Alle haben gut für sich gearbeitet. Für die Zukunft wäre aber eine gemeinsame Einsatzlei­tung für solche medizinisc­hen Ereignisse wichtig. Das würde uns allen in der Abstimmung das Leben erleichter­n.

SN: Das Rote Kreuz hat die „Stopp Corona“-App entwickelt, die nach Kontakten mit Verdachtsp­ersonen warnen soll. Haben Sie die App selbst am Smartphone?

Nein. Ich nehme das Social Distancing sehr ernst. Ich habe seit Beginn dieser Pandemie weder meine Kinder noch meine Mutter gesehen. Ich weiß auch, mit wem ich Kontakt habe. Das sind ganz wenige Personen, vor allem dienstlich. Bei mir würde die App keinen Sinn ergeben, weil ich ständig die zwei Meter Abstand und meine Kontakte kürzer als 15 Minuten halte. Die App könnte dann niemanden verständig­en.

SN: Wenn ich mich wie Sie an Ausgangsbe­schränkung­en und Verhaltens­regeln halte – wofür brauche ich dann eine App, die meine Kontakte registrier­t?

Ich halte das für einen guten Ansatz. Es gibt Personengr­uppen, die mehr Kontakte haben. Ein großes Problem war, dass der Nationalra­tspräsiden­t gefordert hat, dass die App verpflicht­end eingeführt wird. Es soll aber jeder für sich entscheide­n, ob er sie verwenden will oder nicht.

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BILD: SN/ROBERT RATZER Anton Holzer fordert für künftige Katastroph­en eine zentrale Einsatzlei­tung statt zweier Stäbe: „Das würde uns allen das Leben erleichter­n.“

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