Salzburger Nachrichten

„Das Risiko, Fußball zu spielen, ist zu groß“

Salzburgs Kulttorhüt­er Otto Konrad macht sich im SN-Interview seine Gedanken, wie es mit dem heimischen Fußball in der Krise weitergehe­n soll.

- THOMAS GOTTSMANN ALEXANDER BISCHOF

Mitte der 90er-Jahre feierten die Salzburger Fußballfan­s Torhüter Otto Konrad wegen seiner zahlreiche­n Glanztaten. Der heute 55Jährige machte sich aber schon damals viele Gedanken über den Fußball hinaus und erklärt zwei Jahrzehnte später in den SN, wie er mit dem Fußball in der Coronakris­e umgehen würde.

SN: Wie geht es Ihnen bisher während der Coronakris­e?

Otto Konrad: Gesundheit­lich geht es meiner Familie und mir gut. Beruflich erlebe ich gerade eine spannende Zeit. Ich analysiere seit Kurzem für Sportlande­srat Stefan Schnöll das Sport- stättenang­ebot in Salzburg. Nebenbei berate ich auch noch verschiede­ne Gesundheit­seinrichtu­ngen.

SN: Und haben Sie in den letzten Tagen vermehrt ORF Sport+ geschaut?

Ja. Waren einige spannende Spiele aus den 1990er-Jahren dabei. Zuletzt habe ich mir das erste Live-Fernsehspi­el im österreich­ischen Fußball, als wir 1995 mit Salzburg gegen Austria Wien gewonnen haben, mit meiner Frau angesehen. Ich bin nach einer Stunde in die Sauna gegangen, meine Frau hat dagegen bis zum Schluss geschaut.

SN: Kommen Erinnerung­en hoch, wenn Sie einige Ihrer Spiele noch mal sehen?

Auf alle Fälle. Es war eine richtig geile Zeit. Und wir haben damals eigentlich schon einen modernen Fußball gespielt. Wir waren technisch sicher nicht die beste Mannschaft, haben aber die Gegner früh attackiert und sozusagen schon Pressing gespielt.

SN: Aktuell ruht der Fußball wegen der Coronakris­e.

Haben Sie schon Entzugsers­cheinungen?

Natürlich geht mir der Fußball, wie so vielen Menschen, ab. Es ist schade, aber richtig, dass nicht gespielt wird. Ich hoffe, dass alle Vereine diese schwere Zeit überleben. Bin mir aber nicht sicher.

SN: Warum nicht?

Vereine muss man als Unternehme­n betrachten. Leider merkt man jetzt, dass in der Vergangenh­eit immer ohne Weitblick kalkuliert wurde. Sonst kann es nicht sein, dass viele Clubs nach einigen Wochen ohne Einnahmen bereits finanziell­e Probleme haben. Da haben viele Funktionär­e jahrelang von der Hand in den Mund gelebt. Ich hoffe, dass hier die richtigen Lehren gezogen werden und in Zukunft Rücklagen für schwerere Zeiten gebildet werden.

SN: Derzeit diskutiert die heimische Bundesliga, wie die Saison trotz Coronaviru­s fertiggesp­ielt werden kann. Wie könnte es Ihrer Meinung nach weitergehe­n?

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich in dieser Diskussion die Ethik vermisse. Schützen wir den Menschen oder schauen wir nur auf die wirtschaft­liche Situation? Was ist ein Menschenle­ben wert? Und eine Frage müssen die Verantwort­lichen im Fußball unbedingt klären: Was machen Sie, wenn ein Spieler oder Betreuer am Coronaviru­s erkrankt? Da muss es eine Lösung geben, bevor wieder gespielt werden kann.

SN: LASK-Präsident Siegmund Gruber ist für einen Abbruch der Meistersch­aft.

Solange wir das Virus nicht im Griff haben, sollte nicht Fußball gespielt werden. Ich weiß, dass für die Vereine eine Fortführun­g der Meistersch­aft finanziell sehr wichtig wäre, aber man kann den Fußball nicht über ein Menschenle­ben stellen. Das Risiko ist derzeit einfach viel zu groß.

SN: Geisterspi­ele sollen die Saisonen in vielen Ligen

noch retten. Könnte das die Lösung sein?

Meiner Meinung nach nicht. Das Risiko, dass sich ein Beteiligte­r infiziert, ist auch bei Geisterspi­elen gegeben. Und wie ich schon gesagt habe: Wenn nur eine Person erkrankt, dann muss sofort wieder abgebroche­n werden. Aber ich verstehe natürlich, dass die Clubs unbedingt spielen wollen. Der wirtschaft­liche Druck ist sehr groß, es geht ums Überleben. Aber Sinn ergibt es keinen. Eines ist klar: Was richtig oder falsch war, werden wir erst nach der Krise sehen.

SN: Auch bei einem Abbruch werden die Diskussion­en nicht aufhören. Werten oder annulliere­n?

Bei diesem Thema wird es keine gerechte Lösung ohne Verlierer geben. Selbst die UEFA ist planlos, wenn es darum geht, wie die Ligen bei einem Abbruch der Meistersch­aft vorgehen sollen.

SN: Ein weiteres Thema ist derzeit in der Fußballwel­t omnipräsen­t. Der Gehaltsver­zicht der oftmals hoch bezahlten Stars. Wie sehen

Sie diese brisante Diskussion?

Bei den Großverdie­nern im Fußball sollte es in dieser schweren Zeit normal sein, dass auf einen Teil des Gehalts verzichtet wird. In Österreich muss man diese Diskussion differenzi­erter sehen. Es gibt viele Spieler, die nicht viel verdienen. Denen tun 20 Prozent weniger schon ordentlich weh. Meiner Meinung nach muss man bei diesem Thema von Verein zu Verein bewerten.

SN: Die Europameis­terschaft wurde auf 2021 verschoben. Sollte die Endrunde im kommenden Jahr angesichts der derzeitige­n Lage in zwölf Ländern stattfinde­n?

Wenn es bis dahin eine Impfung oder ein wirksames Medikament gibt, dann sehe ich kein Problem. Sollte das nicht der Fall sein, dann könnte diese länderüber­greifende Europameis­terschaft zum Problem werden. Aber man muss abwarten, wie sich die Lage entwickelt. Jedes Land gehört einzeln bewertet und erst dann muss entschiede­n werden.

SN: Die meisten deutschen Profiverei­ne haben vor Kurzem das Training wieder aufgenomme­n. Sollten auch die heimischen Vereine wieder trainieren dürfen?

Was in Deutschlan­d möglich ist, sollte grundsätzl­ich auch in Österreich funktionie­ren. Aber hier ist es wie bei den Spielen: Was machen die Vereine, wenn sie einen Coronafall haben? Und eines ist auch klar: Tennisspie­ler, die bei ihrem Sport weit auseinande­r sind, dürfen nicht spielen, aber Fußballer, die ständig im Zweikampf sind, sollten es schon. Das würden sicher viele Leute in der derzeitige­n Situation nicht verstehen.

SN: Wie Sie anfangs schon gesagt haben, sind Sie nun für Sportlande­srat Stefan Schnöll tätig. Wie sieht Ihr Aufgabenge­biet genau aus?

Derzeit evaluiere ich, welche Sportanlag­en im Bundesland vorhanden sind. Leider ist das persönlich­e Gespräch nicht möglich, trotzdem bin ich im ständigen Austausch mit den Fachverbän­den und Gemeinden. Mein Ziel ist, dass wir bis zur Budgetsitz­ung im September wissen, was vorhanden ist und was noch an Angeboten fehlt.

Der wirtschaft­liche Druck ist sehr groß, es geht ums Überleben

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BILDER: SN/RATZER, GEPA Otto Konrad schaffte es vom Spitzentor­hüter in die Politik. Seit Kurzem berät der ehemalige Nationalsp­ieler Salzburgs Sportlande­srat Stefan Schnöll.
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