„Das Risiko, Fußball zu spielen, ist zu groß“
Salzburgs Kulttorhüter Otto Konrad macht sich im SN-Interview seine Gedanken, wie es mit dem heimischen Fußball in der Krise weitergehen soll.
Mitte der 90er-Jahre feierten die Salzburger Fußballfans Torhüter Otto Konrad wegen seiner zahlreichen Glanztaten. Der heute 55Jährige machte sich aber schon damals viele Gedanken über den Fußball hinaus und erklärt zwei Jahrzehnte später in den SN, wie er mit dem Fußball in der Coronakrise umgehen würde.
SN: Wie geht es Ihnen bisher während der Coronakrise?
Otto Konrad: Gesundheitlich geht es meiner Familie und mir gut. Beruflich erlebe ich gerade eine spannende Zeit. Ich analysiere seit Kurzem für Sportlandesrat Stefan Schnöll das Sport- stättenangebot in Salzburg. Nebenbei berate ich auch noch verschiedene Gesundheitseinrichtungen.
SN: Und haben Sie in den letzten Tagen vermehrt ORF Sport+ geschaut?
Ja. Waren einige spannende Spiele aus den 1990er-Jahren dabei. Zuletzt habe ich mir das erste Live-Fernsehspiel im österreichischen Fußball, als wir 1995 mit Salzburg gegen Austria Wien gewonnen haben, mit meiner Frau angesehen. Ich bin nach einer Stunde in die Sauna gegangen, meine Frau hat dagegen bis zum Schluss geschaut.
SN: Kommen Erinnerungen hoch, wenn Sie einige Ihrer Spiele noch mal sehen?
Auf alle Fälle. Es war eine richtig geile Zeit. Und wir haben damals eigentlich schon einen modernen Fußball gespielt. Wir waren technisch sicher nicht die beste Mannschaft, haben aber die Gegner früh attackiert und sozusagen schon Pressing gespielt.
SN: Aktuell ruht der Fußball wegen der Coronakrise.
Haben Sie schon Entzugserscheinungen?
Natürlich geht mir der Fußball, wie so vielen Menschen, ab. Es ist schade, aber richtig, dass nicht gespielt wird. Ich hoffe, dass alle Vereine diese schwere Zeit überleben. Bin mir aber nicht sicher.
SN: Warum nicht?
Vereine muss man als Unternehmen betrachten. Leider merkt man jetzt, dass in der Vergangenheit immer ohne Weitblick kalkuliert wurde. Sonst kann es nicht sein, dass viele Clubs nach einigen Wochen ohne Einnahmen bereits finanzielle Probleme haben. Da haben viele Funktionäre jahrelang von der Hand in den Mund gelebt. Ich hoffe, dass hier die richtigen Lehren gezogen werden und in Zukunft Rücklagen für schwerere Zeiten gebildet werden.
SN: Derzeit diskutiert die heimische Bundesliga, wie die Saison trotz Coronavirus fertiggespielt werden kann. Wie könnte es Ihrer Meinung nach weitergehen?
Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich in dieser Diskussion die Ethik vermisse. Schützen wir den Menschen oder schauen wir nur auf die wirtschaftliche Situation? Was ist ein Menschenleben wert? Und eine Frage müssen die Verantwortlichen im Fußball unbedingt klären: Was machen Sie, wenn ein Spieler oder Betreuer am Coronavirus erkrankt? Da muss es eine Lösung geben, bevor wieder gespielt werden kann.
SN: LASK-Präsident Siegmund Gruber ist für einen Abbruch der Meisterschaft.
Solange wir das Virus nicht im Griff haben, sollte nicht Fußball gespielt werden. Ich weiß, dass für die Vereine eine Fortführung der Meisterschaft finanziell sehr wichtig wäre, aber man kann den Fußball nicht über ein Menschenleben stellen. Das Risiko ist derzeit einfach viel zu groß.
SN: Geisterspiele sollen die Saisonen in vielen Ligen
noch retten. Könnte das die Lösung sein?
Meiner Meinung nach nicht. Das Risiko, dass sich ein Beteiligter infiziert, ist auch bei Geisterspielen gegeben. Und wie ich schon gesagt habe: Wenn nur eine Person erkrankt, dann muss sofort wieder abgebrochen werden. Aber ich verstehe natürlich, dass die Clubs unbedingt spielen wollen. Der wirtschaftliche Druck ist sehr groß, es geht ums Überleben. Aber Sinn ergibt es keinen. Eines ist klar: Was richtig oder falsch war, werden wir erst nach der Krise sehen.
SN: Auch bei einem Abbruch werden die Diskussionen nicht aufhören. Werten oder annullieren?
Bei diesem Thema wird es keine gerechte Lösung ohne Verlierer geben. Selbst die UEFA ist planlos, wenn es darum geht, wie die Ligen bei einem Abbruch der Meisterschaft vorgehen sollen.
SN: Ein weiteres Thema ist derzeit in der Fußballwelt omnipräsent. Der Gehaltsverzicht der oftmals hoch bezahlten Stars. Wie sehen
Sie diese brisante Diskussion?
Bei den Großverdienern im Fußball sollte es in dieser schweren Zeit normal sein, dass auf einen Teil des Gehalts verzichtet wird. In Österreich muss man diese Diskussion differenzierter sehen. Es gibt viele Spieler, die nicht viel verdienen. Denen tun 20 Prozent weniger schon ordentlich weh. Meiner Meinung nach muss man bei diesem Thema von Verein zu Verein bewerten.
SN: Die Europameisterschaft wurde auf 2021 verschoben. Sollte die Endrunde im kommenden Jahr angesichts der derzeitigen Lage in zwölf Ländern stattfinden?
Wenn es bis dahin eine Impfung oder ein wirksames Medikament gibt, dann sehe ich kein Problem. Sollte das nicht der Fall sein, dann könnte diese länderübergreifende Europameisterschaft zum Problem werden. Aber man muss abwarten, wie sich die Lage entwickelt. Jedes Land gehört einzeln bewertet und erst dann muss entschieden werden.
SN: Die meisten deutschen Profivereine haben vor Kurzem das Training wieder aufgenommen. Sollten auch die heimischen Vereine wieder trainieren dürfen?
Was in Deutschland möglich ist, sollte grundsätzlich auch in Österreich funktionieren. Aber hier ist es wie bei den Spielen: Was machen die Vereine, wenn sie einen Coronafall haben? Und eines ist auch klar: Tennisspieler, die bei ihrem Sport weit auseinander sind, dürfen nicht spielen, aber Fußballer, die ständig im Zweikampf sind, sollten es schon. Das würden sicher viele Leute in der derzeitigen Situation nicht verstehen.
SN: Wie Sie anfangs schon gesagt haben, sind Sie nun für Sportlandesrat Stefan Schnöll tätig. Wie sieht Ihr Aufgabengebiet genau aus?
Derzeit evaluiere ich, welche Sportanlagen im Bundesland vorhanden sind. Leider ist das persönliche Gespräch nicht möglich, trotzdem bin ich im ständigen Austausch mit den Fachverbänden und Gemeinden. Mein Ziel ist, dass wir bis zur Budgetsitzung im September wissen, was vorhanden ist und was noch an Angeboten fehlt.
Der wirtschaftliche Druck ist sehr groß, es geht ums Überleben