Hochbetrieb in Baumärkten und Gärtnereien
Gartenartikel und Heimwerkerbedarf waren am ersten Verkaufstag der Renner. In den Fachgeschäften der Innenstädte war es noch ruhig.
Bei Österreichs Gärtnern und in den Baumärkten herrschte am Dienstag reger Andrang. Weniger los war in den vielen anderen Geschäften, die wieder aufsperren durften. Die Konsumenten verhielten sich diszipliniert.
Kaum gehen am Dienstag im Baumarkt in Salzburg-Maxglan zum ersten Mal nach einem Monat Zwangspause wieder die Türen auf, ist der Parkplatz voll. Immer wieder bilden sich vor dem Geschäft Schlangen von Kunden. Einige holen online bestellte Ware ab, doch der Großteil steuert zielstrebig die Gartenabteilung an. „Wir haben sehnsüchtig auf diesen Tag gewartet“, sagt Miguel Stefan. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin sucht er Beerensträucher aus. Außerdem lädt das Paar Rigipsplatten und Spachtelmasse auf den Wagen. „Wir renovieren unser Haus und bauen gerade um, nach der Pause können wir jetzt endlich wieder loslegen.“Gefragt seien vor allem Balkonblumen, Kräuter, Gemüsepflanzen, Erde und Material für Hochbeete, sagt Verkäuferin Ewa Szabo. „Die Leute kaufen alles für den Garten, vom Trimmer über Vertikutierer bis zum Rasensamen.“
„Haaremacher“Christian Bernatzky ist in der Holzabteilung zugange und lädt Balken auf den Einkaufswagen. Der Friseur darf seine zwei Salzburger Salons zwar noch nicht öffnen, nutzt aber die Zeit, um eines der Geschäfte zu verschönern. Das Holz braucht er, um die Bar neu zu verkleiden.
„Wir hatten in den vergangenen Wochen permanent Anfragen“, sagt Obi-Geschäftsführer Mesut Güngör. Drei große Betätigungsfelder seien während der Coronakrise auszumachen: „Garteln, renovieren und ausmalen.“
Von einem Andrang wie im Baumarkt kann in der Salzburger Altstadt nicht die Rede sein. Nur eine überschaubare Menge Kunden nutzt die Chance, entspannt in der Getreidegasse einzukaufen. „Ich habe bis jetzt erst einen Gummistöpsel für einen Spazierstock verkauft, außerdem hat eine Kundin einen reparierten Schirm abgeholt“, schildert Marie-Theres Kirchtag vom gleichnamigen Schirm- und Taschengeschäft. Die Reisekoffer brauche derzeit kein Mensch. „Die Salzburger sagen immer, dass sie wegen der vielen Touristen nicht in die Altstadt kommen, ich bin gespannt, ob sie jetzt die Gelegenheit nutzen, wir haben alle die neueste Ware im Geschäft.“
Auch Rainer Will, Obmann des Österreichischen Handelsverbands, hat nach Tag eins der Wiedereröffnung gemischte Gefühle. „Es wird noch länger schwierig bleiben“, erklärte er. Denn während der Ansturm auf Gartencenter und Baumärkte nicht unerwartet kam, tun sich andere Branchen noch schwer. Verhalten sei die Nachfrage etwa noch im Elektrohandel, so Will, besonders hart treffe es auch den Mode- und Schuhhandel, „da war sehr wenig los“. In guten Lagen wie in der Wiener Mariahilfer Straße hätten die Geschäfte Rückgänge von 40 Prozent im Vergleich zu einem normalen Shoppingtag verzeichnet, in schlechteren Lagen bis zu 90 Prozent. Überproportionale Zuwächse dagegen hatten Buchhandlungen, Brillenfachgeschäfte und der Sportartikelfachhandel. Auch Nischengeschäfte wie Stoffhändler – Stichwort: Masken selbst schneidern – seien gut besucht gewesen, betont Will. Unterm Strich und branchenübergreifend rechnet er in der ersten Woche mit einem um 50 Prozent niedrigeren Umsatz im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten. Bisher hätten die Schließungen den österreichischen Handel einen wöchentlichen Umsatzverlust von einer Milliarde Euro gekostet, „drei Viertel davon werden wir nicht mehr nachholen“, sagt Will. Auch das Ostergeschäft sei heuer mit 130 Millionen Euro im Vergleich zu 210 Millionen im Vorjahr um 40 Prozent niedriger ausgefallen. Trotzdem überwog bei Rainer Will am Dienstag die Freude: Mit der Wiedereröffnung von österreichweit rund 12.000 Geschäften hätten 100.000 Mitarbeiter und Eigentümer wieder ihre Arbeit aufnehmen können. Mit der aufrechten Sperre von Einkaufszentren und größeren Geschäften bleiben österreichweit 40 Prozent der Handelsflächen weiter ungenutzt. In Summe gibt es bundesweit knapp 40.000 Geschäfte mit 330.000 Handelsbediensteten.
Zurück in die Salzburger Innenstadt. Dort stehen vor einem Geschäft die Leute Schlange, dem Kurzwarengeschäft Knopferlmayer neben dem Rathaus. Seine Gattin brauche Nähseide und Hosenbundgummi, sagt ein Kunde. Eine Salzburgerin ist auf der Suche nach einem Stofffleckerl, um den Riss in
„Es wird noch länger schwierig bleiben.“
Rainer Will, Obmann Handelsverband
Auch positive Überraschungen
einer Jacke zu reparieren. Und eine 70-Jährige ist ausgerückt, um Gummibänder für Gesichtsmasken zu kaufen, die sie für die Familie näht.
„Come in, we are open“, steht an der Glastür der Zuckerlwerkstatt. Auf viel Kundschaft wartet Johanna Sommerauer aber vergeblich. Sie nutzt die Zeit, um die Regale abzustauben. Die Zuckerosterhasen und Hasenlutscher werde sie wohl an Kinder verschenken, meint die Filialleiterin. Nur wenige Kunden sind auch rechts der Salzach in der Linzer Gasse unterwegs. Ein Nachthemd habe sie bisher verkauft, sagt Viviana Zeissler vom Wäschegeschäft Grazia. Das große Sorgenkind in ihrer Branche sei heuer die Bademode. „Das wird eine Katastrophe, es kommt nicht die Stimmung dafür auf, und kaum jemand will mit der Gesichtsmaske etwas anprobieren.“Sie wisse von Zulieferfirmen, dass viele Geschäfte ganze Kollektionen ins Lager gäben und erst im nächsten Jahr wieder hervorholen würden.
Leben eingekehrt ist wieder in der rund 20.000 Einwohner zählenden Bezirkshauptstadt Hallein. Fahrradhändler Willi Grundtner konnte während des Shutdowns nur ein Notprogramm für Reparaturen anbieten. „Fahrräder verkauft habe ich freilich fast null“, sagt er.
Dafür waren es nach der Wiedereröffnung bis Dienstagmittag „schon ein paar“. Für Moritz Gsenger aus Golling gab es ein verspätetes Ostergeschenk. Der Zwölfjährige stößt einen nicht zu überhörenden Freudenschrei aus, als er sein neues Mountainbike in Empfang nimmt. Für Grundtner hat sich in der Krisenzeit auch eine positive Stimmung, ein Zusammenhalt entwickelt. „Die Menschen schätzen wieder das Persönliche und die kleinen Strukturen“, erklärt der Fahrradhändler. Auch wenn er das entgangene Geschäft nicht mehr aufholen kann, so hofft er, dass die kleinen Händler jetzt wieder mehr wahrgenommen werden. Auch selbst tut man einiges dafür. Nach einem Online-Bestellund Lieferservice, zu dem sich 40 Halleiner Betriebe während des Shutdowns zusammengetan haben, gibt es jetzt in allen Läden ein Hygienepaket mit gratis Desinfektionsmittel und Schutzmasken für die Kunden.
Und die halten ums Eck beim Blumenladen Tannenberger brav Abstand. Wer noch draußen steht, beteiligt sich trotzdem durch die offene Tür an den Gesprächen, die im Laden laufen. „Wir sitzen doch alle im selben Boot“, sagt Chefin Andrea Tannenberger. „Wichtig ist, dass es jetzt weitergeht.“Und das tut es. Die
Direktlieferungen per Lkw mit frischer Ware aus den Niederlanden funktionieren wieder, und die Stammkunden können sich ihre Blumen wieder persönlich abholen.
Auch in der Wiener Innenstadt ist am ersten Tag der „Wiederauferstehung“der kleinen Geschäfte nicht allzu viel los. Manche lassen vorerst die Rollläden herunten. Bei den Verkäufern und Geschäftsbetreibern herrscht das Prinzip Hoffnung. In vielen Geschäften befindet sich deutlich mehr Verkaufspersonal als Kunden.
Manche sind aber positiv überrascht vom Kundenaufkommen. Durchaus zufrieden ist man etwa in der Traditionsbuchhandlung Frick am Graben. Zwar sei der Andrang noch nicht so groß wie sonst, aber unter den gegebenen Umständen doch deutlich über den Erwartungen, sagt eine Verkäuferin.
Überdurchschnittliche Nachfrage meldet auch ein CD-Geschäft am Graben im Herzen der Wiener Innenstadt. „Wir haben sehr viel Betrieb heute“, sagt der Verkäufer. Viele Menschen seien nach dem wochenlangen Stillstand der Wirtschaft
wohl froh, außer nützlichen Dingen wie Desinfektions- und Lebensmitteln sowie Klopapier auch einfach wieder etwas Schönes kaufen zu können.
„Was kann ich für Sie tun?“, eine Verkäuferin in einem Fachgeschäft für Tischkultur in der Wiener Innenstadt stürzt auf einen Besucher zu. Große Teile des Sortiments sind deutlich verbilligt, Preisrabatte von 50 Prozent und mehr sind keine Seltenheit. Ein 16-teiliges Tischservice ist für 199 Euro statt der regulären 362 Euro im Angebot.
Schwierige Zeiten durchlebt auch das Wiener Innenstadtgeschäft Ikonen Mautner, ein Familienbetrieb, der seit 60 Jahren auf den Verkauf von russischen Ikonen spezialisiert ist. „Wir sind einerseits stark vom Tourismus abhängig, andererseits gehören unsere Kunden eher der älteren Generation an“, heißt es. Die einen fielen derzeit komplett weg, die anderen auch massiv, da sie ja großteils zu Hause blieben. Obwohl sich heute kaum jemand ins Geschäft verirren werde, habe man aufgesperrt. Ganz so ruhig ist es dann doch nicht: Es klingelt, ein Kunde tritt ins Geschäft. Was er gern hätte? Der Mann weiß es ganz genau: „Die Ikone mit dem Schutzengel da vorn im Schaufenster.“