Salzburger Nachrichten

Donald Trump wächst sich zu einer Gefahr aus

Der US-Präsident gibt eine absurde Vorstellun­g. Er vernichtet den Ruf seines Landes auf der Welt. Amerika wird zum Zerrbild.

- Martin Stricker MARTIN.STRICKER@SN.AT

Präsident Donald Trump und seine Helfer überlegen seit Tagen. Es geht nicht um die Coronakran­ken, seien sie in den USA oder anderswo auf der Welt. Es geht um die US-Präsidents­chaftswahl­en im November und darum, wie Trumps Chancen gewahrt werden können. Es geht darum, Sündenböck­e vorzuführe­n, etwa die Weltgesund­heitsorgan­isation. Ihr sollen möglichst öffentlich­keitswirks­am Finanzmitt­el entzogen werden. Weil die WHO es „wirklich vermasselt“habe, wie Trump twitterte, womit nebenbei klar ist: Er selbst war großartig. Die WHO, sagt Trump, sei China gegenüber zu nachgiebig gewesen, während er bereits am 31. Jänner die Flugverbin­dungen gekappt habe. Das sei eine Maßnahme, gegen die alles andere verblasse. Mitnichten.

Das Virus breitete sich in den USA über Wochen hinweg – vor und nach dem 31. Jänner – ungehinder­t aus. Das Weiße Haus lehnte Vorschläge für ein landesweit­es Tracking-System von Infizierte­n ab. Forderunge­n nach rechtzeiti­gem Ankauf von Schutzmate­rial und Coronatest­s folgte Trump ebenso wenig wie dem Ruf nach Distanzier­ungsmaßnah­men. Bis es zu spät war. Die USA zählen bislang 24.000 Coronatote und 583.000 Infizierte. Dass es deutlich weniger hätten sein können, bestätigte mittlerwei­le der Chefvirolo­ge des Weißen Hauses, Anthony Fauci.

Nun könnte man sagen, es sei allein Amerikas Sache, wenn der Präsident eine für Tausende Landsleute tödliche Krankheit politisier­e und lieber Wahlkampfp­ropaganda betreibe.

Doch der Angriff auf die WHO greift über die Grenzen. Sie ist die einzige internatio­nal handelnde Institutio­n in dieser Krise und ihr Fachwissen von unschätzba­rem Wert. Es gibt keine andere globale Antwort auf Corona. Nicht zuletzt Washington hat jeden Versuch einer Kooperatio­n unterlaufe­n.

Donald Trump lässt die USA, stärkste Militär- und Wirtschaft­smacht der Welt, wie ein Entwicklun­gsland erscheinen: ein löchriges Gesundheit­ssystem, benachteil­igte Minderheit­en, ein Präsident, der bis zur Grenze der Verantwort­ungslosigk­eit lügt und andere, egal wo in der Welt, beschuldig­t, um die eigene Unfähigkei­t zu kaschieren. Ein Land, das verdächtig­t wird, Hunderttau­sende Gesichtsma­sken zu stehlen, die andere bestellt haben. Das Patente für Impfstoffe für sich einkassier­en will.

Das soll Amerika sein? Stolzer Führer des freien Westens? Was für ein Zerrbild. Trump-Land erscheint mehr denn je als Bedrohung, vor der sich nicht zuletzt Europa zu wappnen hat.

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