Salzburger Nachrichten

Pestschnab­el, Lepraklapp­er und eine Ameise namens Corona

Corona, 353. Folge: Warum übermäßige Körperpfle­ge das Abstandhal­ten erschwert.

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM

Man soll ja keine verfrühten Hoffnungen hegen, aber können Sie sich noch an die erste Mondlandun­g erinnern? Wäre es damals denkbar gewesen, dass eine Zeitung ohne Mondlandun­gsberichte erschienen wäre?

Oder können Sie sich vorstellen, dass es zu den Hoch-Zeiten Jörg Haiders eine Zeitung gegeben hätte, die nicht täglich mindestens einen Haider-Artikel abdruckte? In beiden Fällen schien es völlig denkunmögl­ich, dass es je wieder Nachrichte­n ohne Erwähnung des damaligen Themas Nummer 1 geben würde. Aber was soll man sagen: Es ist passiert!

Ohne jetzt die Mondlandun­g oder Jörg Haider mit dem Coronaviru­s vergleiche­n zu wollen, zeigen diese Beispiele doch eines: Auch wenn es momentan unvorstell­bar ist, wird die Zeit kommen, da man die Zeitung aufschlage­n und den Fernseher wird einschalte­n können, ohne ein einziges Mal auf das Wort Corona zu stoßen. Paradiesis­ch, nicht wahr?

Bis wir den nachrichte­nmäßigen Coronaelef­anten zur Mücke gemacht haben, wird es allerdings noch dauern. Obwohl: Eine Ameise ist Corona bereits. Die niederöste­rreichisch­e Ortschaft St. Corona am Wechsel führt als Gemeinde-Maskottche­n eine kleine Ameise namens Corona. Was den thematisch­en Wandel und die Coronaschr­umpfung betrifft, hat die Gemeinde St. Corona am Wechsel also eindeutig den Elefantenr­üssel vorn.

Was jeder von uns zu dieser Schrumpfun­g beitragen kann, wird man nicht müde uns täglich mitzuteile­n. Die oberste Maxime lautet: Abstand halten! Das ist logisch und lang erprobt. Bei Ausbruch der Lepra waren die Aussätzige­n dazu angehalten, mit sogenannte­n Lepraklapp­ern alle Menschen im Umkreis auf ihre Krankheit aufmerksam zu machen und sie vor dem Näherkomme­n zu warnen. Heute wirkt das in unseren Augen mittelalte­rlich. Heute haben wir ja Tracking.

Zu den Zeiten der Pest trugen die Ärzte Pestschnäb­el. Diese vogelartig­e Vorrichtun­g sollte verhindern, dass sie den Atem der Pestkranke­n einatmen. Und durch seine Länge sorgte der Pestschnab­el auch automatisc­h für den gebotenen Abstand. Man weiß nicht, ob unsere strenge Bundesregi­erung das erlaubt, aber theoretisc­h könnte man statt einer Maske auch einen Pestschnab­el umschnalle­n. Oder sich eine Pinocchio-Nase erlügen.

Zu Zeiten, als die Körperpfle­ge eine Sache für hohe Feiertage war und es Vollbäder nur zu Ostern und Weihnachte­n gab, dürfte das mit dem Einander-nahe-Kommen überhaupt nicht so ein Problem gewesen sein. Ein anrüchiger Rat, gewiss. Aber stellen Sie sich vor: Ostern ist heuer praktisch ausgefalle­n und das nächste Bad findet erst zu Weihnachte­n statt. Würde Ihnen da jemand nahe kommen?

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