Panik in den Palästen
Der saudische König Salman wird auf einer Insel im Roten Meer isoliert. 150 Mitglieder der Familie haben sich mit dem Coronavirus angesteckt.
Der Befehl kam per E-Mail und hatte die höchste Dringlichkeitsstufe. Um für die Aufnahme von mit dem Coronavirus infizierten VIP-Patienten gerüstet zu sein, müssten alle chronisch kranken Patienten im King Faisal Specialist Hospital von Riad umgehend in andere Spitäler verlegt werden, lautete die vor einer Woche verschickte Anweisung, die auch der „New York Times“zugespielt wurde. Ab sofort würden nur noch Mitglieder der königlichen Familie akzeptiert.
Mindestens 150 von ihnen sollen sich bereits mit SARS-CoV-2 infiziert haben. Prominentestes Opfer ist der 77-jährige Gouverneur von Riad, Prinz Faisal bin Abdulaziz AlSaud, ein Neffe von König Salman. Der 84 Jahre alte König Salman, der Züge von Demenz zeigt, begab sich auf einer Insel nahe der Hafenstadt Dschidda in Palastquarantäne. Sein
Sohn, Kronprinz Mohammed bin Salman, der das Land de facto beherrscht, zog sich nach Informationen der „New York Times“mit einigen Getreuen und Ministern in einen abgelegenen Landesteil am Roten Meer zurück. Dort, an der Grenze zu Jordanien, sind bereits einige Paläste errichtet worden, die einmal zu der futuristischen Stadt Neom gehören sollen.
Lange Zeit hatten die Saudis Covid-19 als eine „schiitische Seuche“bezeichnet. Tatsächlich verbreitet wurde sie vor allem von ägyptischen Gastarbeitern, die meist in Vierbettzimmern in den Slums von Mekka und Riad leben. Arbeitskräfte aus Asien und anderen arabischen Nationen machen ein Drittel der 33 Millionen Einwohner SaudiArabiens aus.
Zudem sollen Mitglieder der Königsfamilie das Virus von Shoppingtrips in Italien und Spanien „mitgebracht“haben.
Mit mehr als 5370 Coronainfektionen ist Saudi-Arabien im Nahen Osten inzwischen nach dem Iran, der Türkei und Israel das Land mit den meisten offiziell Erkrankten. Gesundheitsminister Tawfiq al-Rabiah warnte kürzlich, man stehe erst am Anfang der Epidemie, es könnte bis zu 200.000 Infizierten geben. Denn wie in allen arabischen Staaten ist auch in Saudi-Arabien die Dunkelziffer offenbar enorm hoch: Es fehlt an Tests.
Um eine weitere Ausbreitung der Seuche zu verhindern, hat König Salman am Ostersonntag die seit drei Wochen geltende Ausgangssperre auf unbestimmte Zeit verlängert. Nur zum Einkaufen dürfen Häuser und Wohnungen verlassen werden. Alle Flughäfen des Landes waren bereits Anfang März geschlossen, das Reisen zwischen den 13 Provinzen verboten worden.
Eine Lockerung der Beschränkungen ist nicht in Sicht. Arabische Beobachter gehen fest davon aus, dass auch die für Ende Juli geplante Hadsch nach Mekka und Medina, zu der 2,5 Millionen Gläubige erwartet werden, abgesagt wird. Es wäre das erste Mal seit der Gründung des Königreichs im Jahre 1932. Im 19. Jahrhundert waren es die Pest und die Cholera, die sechs Mal zur Absage der inzwischen größten Wallfahrt der Welt führten.
Die Pilgerfahrt ist nach dem Ölexport die zweitwichtigste Einnahmequelle des Landes. Normalerweise spülen die frommen Reisenden
jedes Jahr zehn Milliarden Euro in die Kassen der Wüstenmonarchie.
Auch politisch ist die Coronapandemie für Saudi-Arabien ein Problem. Denn in der Königsfamilie tobt ein Machtkampf: Anfang März ließ Kronprinz Mohammed bin Salman den einzigen noch lebenden Bruder seines Vaters, Prinz Ahmed bin Abdulaziz, sowie den 2017 entmachteten Kronprinzen und langjährigen Innenminister Mohammed bin Nayef verhaften. Er hoffte, seine Position als Thronanwärter auf diese Weise zu stärken. Von seiner selbst gewählten Coronaquarantäne könnten nun politische Rivalen profitieren.
Intensivbetten exklusiv für die Königsfamilie