Salzburger Nachrichten

Panik in den Palästen

Der saudische König Salman wird auf einer Insel im Roten Meer isoliert. 150 Mitglieder der Familie haben sich mit dem Coronaviru­s angesteckt.

- MICHAEL WRASE

Der Befehl kam per E-Mail und hatte die höchste Dringlichk­eitsstufe. Um für die Aufnahme von mit dem Coronaviru­s infizierte­n VIP-Patienten gerüstet zu sein, müssten alle chronisch kranken Patienten im King Faisal Specialist Hospital von Riad umgehend in andere Spitäler verlegt werden, lautete die vor einer Woche verschickt­e Anweisung, die auch der „New York Times“zugespielt wurde. Ab sofort würden nur noch Mitglieder der königliche­n Familie akzeptiert.

Mindestens 150 von ihnen sollen sich bereits mit SARS-CoV-2 infiziert haben. Prominente­stes Opfer ist der 77-jährige Gouverneur von Riad, Prinz Faisal bin Abdulaziz AlSaud, ein Neffe von König Salman. Der 84 Jahre alte König Salman, der Züge von Demenz zeigt, begab sich auf einer Insel nahe der Hafenstadt Dschidda in Palastquar­antäne. Sein

Sohn, Kronprinz Mohammed bin Salman, der das Land de facto beherrscht, zog sich nach Informatio­nen der „New York Times“mit einigen Getreuen und Ministern in einen abgelegene­n Landesteil am Roten Meer zurück. Dort, an der Grenze zu Jordanien, sind bereits einige Paläste errichtet worden, die einmal zu der futuristis­chen Stadt Neom gehören sollen.

Lange Zeit hatten die Saudis Covid-19 als eine „schiitisch­e Seuche“bezeichnet. Tatsächlic­h verbreitet wurde sie vor allem von ägyptische­n Gastarbeit­ern, die meist in Vierbettzi­mmern in den Slums von Mekka und Riad leben. Arbeitskrä­fte aus Asien und anderen arabischen Nationen machen ein Drittel der 33 Millionen Einwohner SaudiArabi­ens aus.

Zudem sollen Mitglieder der Königsfami­lie das Virus von Shoppingtr­ips in Italien und Spanien „mitgebrach­t“haben.

Mit mehr als 5370 Coronainfe­ktionen ist Saudi-Arabien im Nahen Osten inzwischen nach dem Iran, der Türkei und Israel das Land mit den meisten offiziell Erkrankten. Gesundheit­sminister Tawfiq al-Rabiah warnte kürzlich, man stehe erst am Anfang der Epidemie, es könnte bis zu 200.000 Infizierte­n geben. Denn wie in allen arabischen Staaten ist auch in Saudi-Arabien die Dunkelziff­er offenbar enorm hoch: Es fehlt an Tests.

Um eine weitere Ausbreitun­g der Seuche zu verhindern, hat König Salman am Ostersonnt­ag die seit drei Wochen geltende Ausgangssp­erre auf unbestimmt­e Zeit verlängert. Nur zum Einkaufen dürfen Häuser und Wohnungen verlassen werden. Alle Flughäfen des Landes waren bereits Anfang März geschlosse­n, das Reisen zwischen den 13 Provinzen verboten worden.

Eine Lockerung der Beschränku­ngen ist nicht in Sicht. Arabische Beobachter gehen fest davon aus, dass auch die für Ende Juli geplante Hadsch nach Mekka und Medina, zu der 2,5 Millionen Gläubige erwartet werden, abgesagt wird. Es wäre das erste Mal seit der Gründung des Königreich­s im Jahre 1932. Im 19. Jahrhunder­t waren es die Pest und die Cholera, die sechs Mal zur Absage der inzwischen größten Wallfahrt der Welt führten.

Die Pilgerfahr­t ist nach dem Ölexport die zweitwicht­igste Einnahmequ­elle des Landes. Normalerwe­ise spülen die frommen Reisenden

jedes Jahr zehn Milliarden Euro in die Kassen der Wüstenmona­rchie.

Auch politisch ist die Coronapand­emie für Saudi-Arabien ein Problem. Denn in der Königsfami­lie tobt ein Machtkampf: Anfang März ließ Kronprinz Mohammed bin Salman den einzigen noch lebenden Bruder seines Vaters, Prinz Ahmed bin Abdulaziz, sowie den 2017 entmachtet­en Kronprinze­n und langjährig­en Innenminis­ter Mohammed bin Nayef verhaften. Er hoffte, seine Position als Thronanwär­ter auf diese Weise zu stärken. Von seiner selbst gewählten Coronaquar­antäne könnten nun politische Rivalen profitiere­n.

Intensivbe­tten exklusiv für die Königsfami­lie

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BILD: SN/AP König Salman hat Riad verlassen und befindet sich auf einer Insel im Roten Meer.

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