Salzburger Nachrichten

„Ärzte arbeiten am Anschlag“

Corona erreicht Russland. Moskau erlebt Welle von Lungenentz­ündungen.

- STEFAN SCHOLL

Ab Mittwoch müssen die Moskauer einen digitalen Passiersch­ein haben, wenn sie sich per Pkw oder in den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln durch ihre Stadt bewegen wollen. Laut Behörden dient die Maßnahme der Eindämmung der Coronapand­emie. Menschenre­chtler warnen, die Technik könnte nach der Krise dazu dienen, die Bürger auszuspähe­n. Doch Proteste gegen die Überwachun­g regen sich kaum. Die Moskauer haben andere Sorgen.

Lange Schlangen von Ambulanzwa­gen, die stundenlan­g vor Kliniken warten, um ihre Patienten abzuliefer­n. Solche Bilder und Berichte kursieren im Internet.

„Die Aufnahme ist überfüllt mit Kranken. Fast alle haben Lungenentz­ündung“, schreibt der Bürgerrech­tler Georgij Fedotow, der nach einer Pneumonie mit Erstickung­sanfällen in einer Klinik landete, auf Facebook. „Ich sah schwerkran­ke alte Leute, die sofort auf die Intensivst­ation gebracht wurden.“Alle anderen kämen in gewöhnlich­e Zimmer, offenbar gingen die freien Betten zu Ende. „Die Ärzte arbeiten wie im Krieg.“

Gemessen an den rund 147 Millionen Einwohnern, hat Russland erst wenige Infizierte. Die offizielle­n Zahlen lagen am Wochenende unter 20.000, es gab landesweit 148 Tote. Aber die Zuwachsrat­en sind groß. Von Sonntag auf Montag wurden 2558 neue Fälle gemeldet.

Der Publizist Maxim Schewtsche­nko überstand eine Lungenentz­ündung. Danach postete er, was er im Spital gesehen hatte. „In den Krankenhau­skorridore­n sitzen massenhaft Leute die Covid-19 haben.“

Laut Denis Prozenko, Chefarzt der Seuchenkli­nik Kommunarka, verfügen Moskaus Intensivst­ationen über 2500 Betten. Vizebürger­meisterin Anastasia Rakowa aber gab am Freitag bekannt, die Zahl der Covid-19-Erkrankung­en habe sich gegenüber der Vorwoche von 2600 auf 5500 verdoppelt. „Krankenhäu­ser und Notärzte arbeiten am Anschlag.“

Moskau hat nur 2500 Intensivbe­tten

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