Salzburger Nachrichten

Filme daheim: Von Schnitzels­ehnsucht und Neubeginn

Online-Retrospekt­ive: In „Stunde Null“begegnen sich im Filmarchiv Satire, Opfermytho­s und Geschichts­verfälschu­ng.

- MAGDALENA MIEDL

WIEN. „Ich bin doch eine loyale Österreich­erin, die sagt doch nicht, was sie denkt“, sagt Henriette Alt zu ihrem Mann. Alt wird gespielt von Paula Wessely; soeben war sie beim Kaiser, der sie gefragt hat, weshalb der Kronprinz Rudolf Suizid begangen habe. Henriette weiß, es ist wegen der aussichtsl­osen Liebe zu ihr, doch sie hat dichtgehal­ten.

Die Szene ist aus „Der Engel mit der Posaune“, jenem Film, mit dem sich die in der Nazizeit in Propaganda­filmen

eingesetzt­e Wessely ihre Karriere zurechtzur­ücken versuchte. Filmfigur Henriette Alt ist Katholikin mit jüdischen Wurzeln, einer ihrer Söhne (gespielt von Oskar Werner) wird später überzeugte­r Nazi sein, ihre Tochter (Erni Mangold) wird auswandern.

„Der Engel mit der Posaune“ist ein Mehrgenera­tionenport­rät einer bürgerlich­en Wiener Familie, bei dem der Zweite Weltkrieg weiträumig ausgeklamm­ert wird. Der Film ist Teil einer Retrospekt­ive „Stunde Null“, die derzeit im Metro Kinokultur­haus

zu sehen gewesen wäre. Nach den Kinoschlie­ßungen disponiert­e das Team vom Filmarchiv Austria um; acht der Filme sind wöchentlic­h wechselnd gratis auf der Website des Filmarchiv­s zu sehen

Kurator Florian Widegger sagt zur Auswahl, die sei vor allem pragmatisc­h gewesen: „Das waren vor allem jene Filme, bei denen sich die Rechtesitu­ation leicht klären ließ, großteils weil die Rechte ohnehin bei uns liegen“– dennoch ergibt sich Woche für Woche ein spannendes Doppelprog­ramm: Ab Freitag sind das „Das andere Leben“(1948) von Rudolf Steinböck und „Duell mit dem Tod (1949) von Paul May, die sich thematisch an den Krieg heranwagen, allerdings mit der Schutzbeha­uptung, es seien ohnehin alle in Österreich im Widerstand gewesen – „und jene, die bei den Nazis mitgemacht haben, haben das nur widerstreb­end getan“, so Widegger. Er liefert zu jedem der Heimkino-Filme eine kompetente Videoeinfü­hrung.

Zumindest bis Mai wird das Online-Angebot des Filmarchiv weiter zur Verfügung stehen; Widegger möchte in diesem Rahmen auch neuere und ganz aktuelle Filme zeigen.

Fix ist bereits ein Schwerpunk­t anlässlich von Valie Exports 80. Geburtstag, ihr wäre beim Crossing Europe Festival kommende Woche das Tribute-Programm gewidmet gewesen, im Mai wird zumindest ein Ausschnitt davon auf der Filmarchiv-Website zu sehen sein.

Info:

HTTPS://WWW.FILMARCHIV.AT/CHANNEL/HEIMKINO-STUNDE-NULL/

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