Raucher haben ein erhöhtes Coronarisiko
Jüngste Studien aus China alarmieren die Mediziner. Einen dringenden Appell richten sie vor allem an Raucher mit Vorerkrankungen.
SALZBURG. Das wachsende Wissen über das neue Coronavirus und die Ursachen für die unterschiedlichen Krankheitsverläufe rückt nun auch die Raucher in den Fokus: Vor allem Menschen mit Vorerkrankungen an der Lunge sollten nach einer dringenden Empfehlung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie umgehend mit dem Rauchen aufhören, weil das Risiko bei ihnen, an Covid-19 zu sterben, deutlich erhöht ist. Rauchen schwächt darüber hinaus grundsätzlich das Immunsystem und macht die Atemwege anfälliger für Infektionskrankheiten.
Michael Studnicka, Leiter der Universitätsklinik für Pneumologie und Lungenheilkunde in Salzburg, verweist dazu auf zwei aktuelle Studien, die das Risiko für Raucher näher unter die Lupe genommen haben. Zum einen wurde dazu in den ersten Monaten der Coronakrise eine Metaanalyse in China gemacht, die sich auf fünf Publikationen (vier davon aus Wuhan) stützt. Die Zahl der Studienteilnehmer betrug zwischen 41 und 1099. „Das ist die beste Evidenz, die wir derzeit haben, da Daten aus Italien oder anderen Ländern bisher nicht vorliegen“, sagt Studnicka. Die Ergebnisse zeigten, dass für die Raucher die Covid-19Risiken bis zu 14-fach im Vergleich zu Nichtrauchern erhöht sind. Ein Kritikpunkt ist für den Salzburger Lungenexperten, dass die Metaanalyse nur rückblickend gemacht werden konnte und nicht alle formalen Kriterien erfüllt.
Aus der mit 1099 Teilnehmern größten Studie geht zum Beispiel hervor: 173 Infizierte hatten schwere Symptome, bei 926 Erkrankten gab es einen leichten Verlauf. Unter den Patienten, die starben oder beatmet werden mussten, befanden sich 25,5 Prozent Raucher und 7,6 Prozent ehemalige Raucher. Im Vergleich dazu die Gruppe ohne schweren Verlauf: Hier betrug der Anteil der Raucher 11,8 Prozent, jener der ehemaligen Raucher 1,6 Prozent.
Eine zweite Studie beschäftigt sich näher mit den Gründen, warum bei Rauchern womöglich das Risiko höher ist: Dabei geht es, vereinfacht ausgedrückt, um jene Rezeptoren (ACE 2), bei denen das Coronavirus andockt, um in die Zellen zu gelangen und sich dort zu vermehren. Dabei wurden Raucher mit bereits bestehenden Lungenerkrankungen, gesunde Raucher und Nichtraucher in zwei Gruppen an der Cornell University in New York und einer kanadischen Tumorkohorte verglichen. Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Zahl der sogenannten ACE-2-Rezeptoren bei den Rauchern mit und ohne bestehende Lungenerkrankungen signifikant höher ist als bei Nichtrauchern oder ehemaligen Rauchern. Studnicka sagt, dass auch vorangegangene Tierversuche dieses Hinaufregulieren von ACE 2 durch Rauchen belegt hätten.
Und auch der österreichische Molekularbiologe Josef Penninger, Leiter des Life Sciences Institute (LSI) der University of British Columbia in Vancouver, der sich intensiv mit dem Vorgänger des jetzigen Virus SARS-CoV-2 beschäftigt hat, wies im SN-Gespräch auf diesen Punkt hin: „Das kann dazu führen, dass Raucher anfälliger auf das Virus sind, weil mehr ACE 2 in der Lunge ist. Wenn man mehr Einfallstore hat, können mehr Viren durchgehen.“Penninger hat einen Wirkstoff entwickelt, der derzeit an österreichischen Coronapatienten in einer Studie getestet wird und sich gegen die ACE-2-Rezeptoren richtet: „Wenn man diesen Rezeptor zusperrt, kann das Virus nicht mehr in die Zellen gelangen.“
Für den Salzburger Lungenexperten Studnicka ergänzen einander die vorliegenden Ergebnisse ausgezeichnet und sie belegten, warum aktives Rauchen zu einem schweren Krankheitsverlauf bei Covid-19 führen kann. Darüber hinaus gibt es für ihn wissenschaftlich gut untermauerte Faktoren, die das Risiko im Fall einer Infektion mit dem Coronavirus erhöhen: „Wenn man mit dem Rauchen aufhört, reduziert sich schon innerhalb weniger Tage das Risiko für einen Herzinfarkt. Das Rauchen erhöht auch die Gefahr für Blutgerinnsel. Alles wesentliche Faktoren, die das Leben mit einer Lungenentzündung mitbestimmen.“
Und weiter betont Studnicka: „Jede Zigarette löst einen entzündlichen Prozess im Körper aus, die Infektanfälligkeit steigt. Wenn man aufhört zu rauchen, sinkt rasch die Neigung zu Blutgerinnseln. Bei Covid-19-Patienten ist dieses Risiko von vornherein schon größer.“
Die österreichische Gesellschaft der Lungenärzte hat aufgrund der vorliegenden Studienergebnisse nicht nur für die Mediziner klare Therapieanleitungen erarbeitet. Sie empfiehlt vor allem Menschen mit Vorerkrankungen der Lunge, sofort mit dem Rauchen aufzuhören. Das Risiko, an Covid-19 zu sterben, sei deutlich erhöht. Zudem werden alle Menschen mit Asthma, COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) oder Lungenkrebs aufgefordert, ihre medikamentöse Therapie keinesfalls abzusetzen.
„Rauchen erhöht Gefahr für Gerinnsel.“
Michael Studnicka,
Lungenfacharzt