B’hofen hat einen digitalen Zwilling
Bischofshofen hat die vielleicht modernste Stadtverwaltung in Österreich. Grundlage ist Technologie, die eigentlich aus der Industrie kommt.
Moderne Industriemaschinen sind komplex. Sie bestehen aus unzähligen Ventilen, Pumpen, Rohrleitungen und Messgeräten. Von außen einen Überblick zu wahren ist unmöglich. Darum gibt es digitale Abbilder – auf dem Computerbildschirm können Techniker jederzeit mitverfolgen, wie es in einer Maschine aussieht, ob alle Teile funktionieren, wo Fehler liegen. Das ermöglicht eine effiziente Nutzung der oft millionenschweren Technik.
Die Stadtgemeinde Bischofshofen nimmt Anleihe bei diesen Industriesystemen. Seit zweieinhalb Jahren arbeiten Stadtbaudirektor Heinz Neumayer und Siemens-Managerin Mahboobeh Bayat an einem digitalen Zwilling der Stadt.
Die Pongauer verpacken in eine Computerlandkarte sämtliche Gemeindeinfrastruktur und alle dazugehörigen Informationen. Ein simples Beispiel: Auf Knopfdruck erscheinen auf der Karte alle Beleuchtungspunkte. Es sind über 1000. Wenn man eine bestimmte Straßenlaterne anklickt, ist einsehbar, wann sie aufgestellt wurde, welches Leuchtmittel sie nutzt, wann die nächste Wartung nötig ist. Dasselbe funktioniert mit Gemeindestraßen, Verkehrsschildern, Grundstücken, Kanälen, Brandschutztüren und Bäumen.
Das System ermögliche einen ganz neuen Überblick und bessere Entscheidungsgrundlagen für die Politik, sagt Heinz Neumayer. „Wenn Sie einen Bürgermeister fragen, wie viele gemeindeeigene Gebäude er hat, dann kann er das vielleicht sogar beantworten.
Wie viele Heiz- und Stromkosten sie verursachen, kann Ihnen aber niemand sagen.“In der Privatwirtschaft seien solche Wissenslücken kaum denkbar.
Siemens-Managerin Bayat sieht große Vorteile. Durch die umfangreiche Information, die sich jederzeit schnell abrufen lasse, könne man Ressourcen besser planen, Wartungseinsätze bündeln und Investitionsentscheidungen auf gesicherter und aktueller Faktenlage treffen. „Da lässt sich sehr viel Geld einsparen“, sagt Heinz Neumayer.
Genutzt wird die digitale Stadtverwaltung bereits, wenn auch noch lang nicht alle Daten eingespielt sind. Derzeit füttern Mitarbeiter das neue System. Das kann noch das ein oder andere Jahr dauern, allein die Stadtbauakte reicht 150 Jahre zurück und umfasst rund 4000 Akten. Aktuelle Informationen werden laufend durch zuständige Gemeindemitarbeiter ergänzt.
Dinge aus unterschiedlichen Abteilungen zusammentragen zu müssen wird bald der Vergangenheit angehören. Der Gang ins „Trockenarchiv“ebenso. Die lückenlose Inventarisierung von Gemeindeeigentum soll auch dabei helfen, die Prüfungsverpflichtung festzuhalten und sich dadurch für Haftungsfragen zu wappnen. Der Aufwand wird sich auszahlen, ist Neumayer überzeugt. Digitale und interaktive Instrumente würden zwar von Gemeinden und einzelnen Abteilungen jetzt auch schon genutzt, alles in einer Datenbank zusammenzuführen, das sei neu. Und revolutionär.
Mittlerweile sind die Vertreter von mehreren Gemeinden vorstellig geworden, um sich das von Siemens und Bischofshofen entwickelte System näher anzusehen. Auch aus Deutschland seien Kollegen angereist, so Neumayer. Wien habe ebenfalls großes Interesse, sagt Mahboobeh Bayat.
Ob künftig auch Bürger auf den digitalen Zwilling zugreifen können, ist offen. „Möglich wäre es, für bestimmte Bürgeranwen
„Solche Wissenslücken wären in der Privatwirtschaft undenkbar.“
Heinz Neumayer, Projektleiter
dungen bestimmte Daten greifbar zu machen“, sagt Neumayer.
Vorerst sind die Stadtmitarbeiter am Zug. Dass diese ihr umfangreiches Wissen mitunter in die Pension mitnehmen, kann man nun verhindern. „Ein Wassermeister, der 20 Jahre tätig war, der weiß vieles auswendig“, sagt Neumayer. Diese Dinge digital im neuen System festzuhalten sei eine enorme Erleichterung. Man mache sich unabhängiger.
Darum, durch Technologie Arbeitsplätze einzusparen, gehe es aber nicht. „Unsere Mitarbeiter haben früher Bäume, Verkehrsschilder und Laternen regelmäßig überprüfen müssen und diesen Job nimmt ihnen auch keiner weg.“Das Projekt „Bischofshofen 4.0“ziele schlicht auf effizientere Abläufe ab, so der Projektleiter.