Salzburger Nachrichten

B’hofen hat einen digitalen Zwilling

Bischofsho­fen hat die vielleicht modernste Stadtverwa­ltung in Österreich. Grundlage ist Technologi­e, die eigentlich aus der Industrie kommt.

- MICHAEL MINICHBERG­ER

Moderne Industriem­aschinen sind komplex. Sie bestehen aus unzähligen Ventilen, Pumpen, Rohrleitun­gen und Messgeräte­n. Von außen einen Überblick zu wahren ist unmöglich. Darum gibt es digitale Abbilder – auf dem Computerbi­ldschirm können Techniker jederzeit mitverfolg­en, wie es in einer Maschine aussieht, ob alle Teile funktionie­ren, wo Fehler liegen. Das ermöglicht eine effiziente Nutzung der oft millionens­chweren Technik.

Die Stadtgemei­nde Bischofsho­fen nimmt Anleihe bei diesen Industries­ystemen. Seit zweieinhal­b Jahren arbeiten Stadtbaudi­rektor Heinz Neumayer und Siemens-Managerin Mahboobeh Bayat an einem digitalen Zwilling der Stadt.

Die Pongauer verpacken in eine Computerla­ndkarte sämtliche Gemeindein­frastruktu­r und alle dazugehöri­gen Informatio­nen. Ein simples Beispiel: Auf Knopfdruck erscheinen auf der Karte alle Beleuchtun­gspunkte. Es sind über 1000. Wenn man eine bestimmte Straßenlat­erne anklickt, ist einsehbar, wann sie aufgestell­t wurde, welches Leuchtmitt­el sie nutzt, wann die nächste Wartung nötig ist. Dasselbe funktionie­rt mit Gemeindest­raßen, Verkehrssc­hildern, Grundstück­en, Kanälen, Brandschut­ztüren und Bäumen.

Das System ermögliche einen ganz neuen Überblick und bessere Entscheidu­ngsgrundla­gen für die Politik, sagt Heinz Neumayer. „Wenn Sie einen Bürgermeis­ter fragen, wie viele gemeindeei­gene Gebäude er hat, dann kann er das vielleicht sogar beantworte­n.

Wie viele Heiz- und Stromkoste­n sie verursache­n, kann Ihnen aber niemand sagen.“In der Privatwirt­schaft seien solche Wissenslüc­ken kaum denkbar.

Siemens-Managerin Bayat sieht große Vorteile. Durch die umfangreic­he Informatio­n, die sich jederzeit schnell abrufen lasse, könne man Ressourcen besser planen, Wartungsei­nsätze bündeln und Investitio­nsentschei­dungen auf gesicherte­r und aktueller Faktenlage treffen. „Da lässt sich sehr viel Geld einsparen“, sagt Heinz Neumayer.

Genutzt wird die digitale Stadtverwa­ltung bereits, wenn auch noch lang nicht alle Daten eingespiel­t sind. Derzeit füttern Mitarbeite­r das neue System. Das kann noch das ein oder andere Jahr dauern, allein die Stadtbauak­te reicht 150 Jahre zurück und umfasst rund 4000 Akten. Aktuelle Informatio­nen werden laufend durch zuständige Gemeindemi­tarbeiter ergänzt.

Dinge aus unterschie­dlichen Abteilunge­n zusammentr­agen zu müssen wird bald der Vergangenh­eit angehören. Der Gang ins „Trockenarc­hiv“ebenso. Die lückenlose Inventaris­ierung von Gemeindeei­gentum soll auch dabei helfen, die Prüfungsve­rpflichtun­g festzuhalt­en und sich dadurch für Haftungsfr­agen zu wappnen. Der Aufwand wird sich auszahlen, ist Neumayer überzeugt. Digitale und interaktiv­e Instrument­e würden zwar von Gemeinden und einzelnen Abteilunge­n jetzt auch schon genutzt, alles in einer Datenbank zusammenzu­führen, das sei neu. Und revolution­är.

Mittlerwei­le sind die Vertreter von mehreren Gemeinden vorstellig geworden, um sich das von Siemens und Bischofsho­fen entwickelt­e System näher anzusehen. Auch aus Deutschlan­d seien Kollegen angereist, so Neumayer. Wien habe ebenfalls großes Interesse, sagt Mahboobeh Bayat.

Ob künftig auch Bürger auf den digitalen Zwilling zugreifen können, ist offen. „Möglich wäre es, für bestimmte Bürgeranwe­n

„Solche Wissenslüc­ken wären in der Privatwirt­schaft undenkbar.“

Heinz Neumayer, Projektlei­ter

dungen bestimmte Daten greifbar zu machen“, sagt Neumayer.

Vorerst sind die Stadtmitar­beiter am Zug. Dass diese ihr umfangreic­hes Wissen mitunter in die Pension mitnehmen, kann man nun verhindern. „Ein Wassermeis­ter, der 20 Jahre tätig war, der weiß vieles auswendig“, sagt Neumayer. Diese Dinge digital im neuen System festzuhalt­en sei eine enorme Erleichter­ung. Man mache sich unabhängig­er.

Darum, durch Technologi­e Arbeitsplä­tze einzuspare­n, gehe es aber nicht. „Unsere Mitarbeite­r haben früher Bäume, Verkehrssc­hilder und Laternen regelmäßig überprüfen müssen und diesen Job nimmt ihnen auch keiner weg.“Das Projekt „Bischofsho­fen 4.0“ziele schlicht auf effiziente­re Abläufe ab, so der Projektlei­ter.

 ??  ??
 ?? BILD: SN/CH. HEIDEMANNS | I-HOCH-4 GMBH ?? Stadtbaudi­rektor Heinz Neumayer und SiemensMan­agerin Mahboobeh Bayat (oben) arbeiten daran, eine Fülle an Informatio­nen in eine digitale Landkarte zu verpacken.
BILD: SN/CH. HEIDEMANNS | I-HOCH-4 GMBH Stadtbaudi­rektor Heinz Neumayer und SiemensMan­agerin Mahboobeh Bayat (oben) arbeiten daran, eine Fülle an Informatio­nen in eine digitale Landkarte zu verpacken.

Newspapers in German

Newspapers from Austria