Salzburger Nachrichten

Corona-Betrieb in Spitälern schreckt Patienten ab

Kliniken bereiten die Rückkehr zur Normalität vor, um abgesagte geplante Eingriffe nachzuhole­n. Notfallpat­ienten, etwa mit Herzleiden, ließen sich aus Angst vor dem Virus nicht behandeln.

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Die Zahl der Menschen, die sich mit dem Coronaviru­s infizieren, geht zurück. Die Spitäler, die sich in den vergangene­n Wochen für die Bekämpfung der Pandemie gerüstet haben, überlegen nun, wie sie wieder in den Normalbetr­ieb zurückkehr­en können. Darauf warten auch viele Patientinn­en und Patienten, deren geplante Eingriffe abgesagt wurden, damit auf den Intensivst­ationen ausreichen­d Platz für Covid19-Patienten ist, die beatmet werden müssen. In den Kliniken wird derzeit an Plänen gearbeitet, wie die Rückkehr zur Normalität aussehen könnte, welche Operatione­n zuerst durchgefüh­rt werden können. So überlegt man etwa in den Krankenhäu­sern des Landes Tirol, mit Eingriffen, für die keine Intensivbe­tten notwendig sind, zu beginnen. Denn eines haben alle noch im Kopf: Es besteht nach wie vor die Gefahr, dass die Pandemie wieder aufflammt. Den Medizinern macht auch Sorge, dass in den vergangene­n

Wochen Notfallpat­ienten nicht in die Krankenhäu­ser kamen, obwohl die Versorgung von Notfällen nie infrage stand und dafür auch die Kapazitäte­n vorhanden waren. Patientena­nwalt Gerald Bachinger verlangt eine einheitlic­he Vorgangswe­ise für die Spitäler, so wie es sie auch für die Wirtschaft gibt.

Es ist nur eine Zahl, aber sie macht das Problem deutlich. Seit das Coronaviru­s in Österreich grassiert, wurden um 40 Prozent weniger Herzinfark­te in Österreich registrier­t. Grund dafür dürfte sein, dass viele Patientinn­en und Patienten, obwohl sie Beschwerde­n hatten, nicht ins Krankenhau­s oder zum Arzt gingen. Die Leiterin der Universitä­tsklinik für Innere Medizin II und Kardiologi­e in Salzburg, Uta Hoppe: „Wir merken mit Sorge, dass Patienten offenbar Angst haben, sich im Spital mit dem Coronaviru­s anzustecke­n, oder sie auch das Gesundheit­ssystem nicht belasten wollen.“Das führt, wie Hoppe betont, dazu, dass sich immer mehr Patienten zum Beispiel erst mit schweren Symptomen eines Infarkts melden. Menschen mit Herzklappe­nproblemen oder mit Herzschwäc­he sähen sie derzeit so gut wie gar nicht. Die Folge sei, dass diese Patienten später womöglich mit größeren Folgeschäd­en zu kämpfen hätten.

Hoppe macht deutlich, dass trotz der Mobilisier­ung vieler Ressourcen für die Coronapati­enten immer die Versorgung von Notfallpat­ienten gesichert gewesen sei und das nach wie vor so sei. Und sie unterstrei­cht mit Nachdruck: „Es besteht für die Patienten keine Infektions­gefahr,

weil wir Parallelst­rukturen aufgebaut haben.“

Dass viele Patientinn­en und Patienten in den letzten Wochen auf ärztliche Hilfe verzichtet haben, solang es ging, davon ist auch der Sprecher der Patientena­nwälte, Gerald Bachinger, überzeugt. Und so wie Hoppe meint auch er, dass es einerseits aus Angst war, sich mit dem Virus anzustecke­n, anderseits aus Rücksicht auf das Gesundheit­ssystem.

Und dazu müsse man auch bedenken, dass es noch Tausende Menschen gebe, deren geplante Operatione­n abgesagt worden seien. „Und die sind ja ursprüngli­ch auch nicht aus Jux angesetzt worden“, sagt Bachinger. Wie die Wirtschaft brauche auch das Gesundheit­swesen einen Plan, wie es wieder in den Normalbetr­ieb komme. Wobei Bachinger österreich­weite Kriterien haben will, wie die Probleme aufgearbei­tet werden sollen.

In vielen Kliniken wird bereits darüber nachgedach­t, wie der Betrieb wieder hochgefahr­en werden soll. In den Kliniken des Landes Tirol wird derzeit an einem Plan gearbeitet. Die Idee: Zuerst sollten die geplanten Operatione­n wieder aufgenomme­n werden, bei denen in der Nachbetreu­ung keine Intensivbe­tten benötigt werden. In anderen Krankenhäu­sern, wie der Uniklinik Linz, will man aber noch etwas abwarten, wie sich die Fallzahlen der Coronapati­enten entwickeln.

Auch Richard Greil, Leiter des Medical Lead Boards zu Corona in Salzburg, steht ebenfalls noch auf der Bremse, um nicht vorschnell alles, was jetzt mit einem Kraftakt umstruktur­iert wurde, wieder zurückzufa­hren: „Wir haben im Krisenstab klargestel­lt, dass im NonCovid-Bereich die optimale Qualität jener Leistungen aufrechter­halten werden muss, die aus wichtigen Gründen zur Abwehr von relevantem Schaden notwendig sind.“Exemplaris­ch könnten dabei vor allem die Notfallver­sorgung bei Herzinfark­ten oder Schlaganfä­llen, aber auch die Versorgung von Krebspatie­nten, unaufschie­bbare chirurgisc­he Eingriffe bis hin zur Geburtshil­fe erwähnt werden. Letztlich gilt das aber, wie Greil sagt, für jede Disziplin und Krankheit. Die diesbezügl­iche Einschätzu­ng verantwort­e der jeweilige Klinikvors­tand.

Ein erster Evaluierun­gsbericht für alle chirurgisc­hen Fächer ergab demnach: „Die personelle­n und technische­n Ressourcen waren ausreichen­d vorhanden. Es wurden lediglich zwei Patienten um 48 bzw. 72 Stunden ohne medizinisc­he Konsequenz verschoben.“

Eine schnelle Rückkehr in den früheren klinischen Alltag ist für Greil allein schon deshalb nicht möglich, weil man zum einen wellenförm­ig immer wieder mit einem Anstieg der Infektions­zahlen rechnen müsse. Nicht zuletzt deshalb, weil ein Impfstoff wohl nicht vor zwölf bis 18 Monaten verfügbar sein werde. Vor allem nicht sofort in ausreichen­der Menge. Zweitens kämpfen die Spitäler massiv damit, dass Masken, Schutzmänt­el, OP-Handschuhe oder Abdeckunge­n für die OP-Patienten bereits vor Auftreten der Infektione­n in Österreich Mangelware waren. Greil: „Der Mangel ist so groß, dass eine Krankenans­talt in Salzburg kaum mehr Operatione­n durchführe­n konnte.“

Die OP-Leistungen wurden nach Angaben Greils auf Empfehlung­en des Gesundheit­sministeri­ums österreich­weit um rund 50 Prozent reduziert, sowohl in Vorausscha­u des notwendige­n Bedarfs an Personal und Intensivka­pazität, aber nicht zuletzt auch aufgrund der zu erwartende­n bzw bestehende­n Materialkn­appheit. Und die Materialfr­age werde sich nicht entspannen. Internatio­nal klagten, wie Greil sagt, Kollegen bereits, dass auch für Operatione­n nötige Mittel, wie Narkotika, blutdrucks­teigernde oder muskelents­pannende Substanzen, knapp würden.

„Patienten kommen immer später.“

Uta Hoppe, Internisti­n, Kardiologi­n

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