Nicht nur die Coronapatienten sind wichtig
Österreich hat im Kampf gegen das Coronavirus sehr viel richtig gemacht. Ärzte warnen aber mit Recht vor einem „Kollateralschaden“.
Niemand wollte in Österreich riskieren, dass an den Spitälern ein ähnliches Chaos ausbricht wie in Italien oder zuletzt in New York. Dank der raschen Reaktion der österreichischen Regierung und vor allem auch der Disziplin der Bevölkerung konnte man das bisher erfolgreich verhindern. Österreich hat nicht zuletzt deshalb deutlich weniger Todesfälle zu verzeichnen, weil jeder Covid-19-Patient individuell und umfassend betreut werden kann. Zum anderen ist es gelungen, die Risikogruppen zu isolieren und den unkontrollierten Ausbruch des Coronavirus in Pflege- und Seniorenheimen zu verhindern.
Dieser Weg ist richtig und muss weiter verfolgt werden, weil wir bis zum Vorliegen wirksamer Medikamente oder eines Impfstoffs ständig mit neuen Infektionswellen rechnen müssen. Gleichzeitig wächst aber die Gefahr, dass Menschen nicht „am“, sondern „wegen“des Coronavirus sterben oder zumindest einen schweren gesundheitlichen Schaden erleiden. Aufgrund der Neuorganisation und Konzentration medizinischer Ressourcen für die Covid-Häuser mussten andere Bereiche im Gesundheitssystem zum Teil erheblich zurückgefahren werden. Wie sich das konkret auswirkt, wird durch immer mehr Fallberichte und warnende Stimmen von Klinikchefs deutlich.
Gut dokumentiert haben das bereits die Internisten
und Kardiologen, die mit Nachdruck vor einem „Kollateralschaden“warnen. Aufgeschreckt hat sie zum einen, dass man im März in den Spitälern um 40 Prozent weniger Herzinfarkte registriert hat. Das hat nichts mit einem statistischen Ausreißer zu tun oder damit, dass Infarktpatienten womöglich in den Coronazahlen landen. Zu befürchten ist, auch wenn Spekulation dabei ist, dass viele einen stummen Infarkt zu Hause durchmachen oder dort sterben.
Evaluiert haben die Kardiologen, wie Uta Hoppe am Uniklinikum Salzburg, aber genau: Viele Herzpatienten kommen mit schweren Symptomen immer später in die Klinik. Patienten mit Herzschwäche oder Herzklappenproblemen sehe man gar nicht. Auch von Schlaganfallstationen berichten die Ärzte, dass immer mehr Patienten zu spät kämen.
Da müssen alle Alarmglocken schrillen, auch wenn die Notfallversorgung objektiv nie gefährdet war. Viele Menschen denken das aber, fürchten sich unbegründet vor einer Ansteckung im Spital oder wollen das System nicht belasten. Hier bedarf es ebenso kräftiger Signale von Politik und führenden Medizinern wie gegen das Coronavirus, um gegenzusteuern. Sonst hat man am Ende mehr verloren als gewonnen.