Demokratie auch in Coronazeiten
Widersprechen die von Regierung und Parlament angesichts der Coronakrise beschlossenen Grundrechtseingriffe und sonstigen Notfallmaßnahmen der Bundesverfassung? Das kommt darauf an, welchen Verfassungsrechtler man fragt. Der Bundeskanzler jedenfalls hat am Dienstag relativ nonchalant erklärt, über die Verfassungsmäßigkeit der beschlossenen Maßnahmen werde zu gegebener Zeit der Verfassungsgerichtshof entscheiden.
Diese Aussage hat dem Kanzler viel Kritik eingebracht, von wegen: schlampiger Umgang mit dem Rechtsstaat. Dabei hat Sebastian Kurz nur eine Selbstverständlichkeit ausgesprochen. Nämlich die Selbstverständlichkeit, dass hierzulande über die Frage, ob ein Gesetz oder eine Verordnung der Bundesverfassung entspricht, immer nur erst hinterher – also wenn das Gesetz und die Verordnung bereits in Kraft sind – entschieden werden kann. Und zwar durch den Verfassungsgerichtshof. Eine rechtsverbindliche Vorabprüfung von Rechtsvorschriften ist in Österreich nicht vorgesehen.
Und das ist auch sinnvoll. Würden die Anti-Corona-Maßnahmen erst in Kraft treten, nachdem der Verfassungsgerichtshof dazu seinen Segen gegeben hat, wäre längst das hiesige Gesundheitssystem kollabiert – mit allen tödlichen Folgen. Der Rechtsstaat wird nicht gefährdet durch die Raschheit, mit der Regierung und Parlament auf Corona reagiert haben. Er würde gefährdet, wenn Regierung und Parlament die Korrekturen, die der Verfassungsgerichtshof gewiss vornehmen wird, nicht auf Punkt und Beistrich erfüllen. Darauf wird von der Opposition, den Medien, der Zivilgesellschaft zu achten sein.