Ein Populist und die Pandemie
Das Ausmaß der Gefahr hängt für die Bürger eines Landes auch davon ab, wer durch die Coronakrise steuert.
Die Coronapandemie ist die erste globale Krise unserer Zeit, bei der Populisten und Nationalisten gleich in mehreren Ländern die Regierungsgewalt innehaben. Nirgendwo sind die Auswirkungen augenscheinlicher als in den Vereinigten Staaten.
Noch vor Monaten war man davon ausgegangen, dass wohl kein Land besser vorbereitet sei, die Herausforderungen von Covid-19 zu meistern, als die transatlantische Supermacht. Seit Langem führend in Medizin, Forschung und Hochtechnologie besitzen die reichen USA nicht nur vermeintlich ausreichend Know-how, Infrastruktur und Ausrüstung, sondern können im Gegensatz zu Europa diese Ressourcen in einem Land ohne interne Grenzen gezielt dort zum Einsatz bringen, wo sie am dringendsten benötigt würden. Neben dem zivilen Sektor verfügen die USA weiters über das weltweit größte Netzwerk an Nachrichtendiensten, darunter mit dem National Center for Medical Intelligence sogar einen, der auf Pandemien und biologische Katastrophen spezialisiert ist.
Der enorme US-Militärapparat verfügt zudem über ein eigenes, vom zivilen Sektor getrenntes medizinisches Versorgungssystem mit umfangreichen Mitteln zur Bekämpfung von bakteriologischen und viralen Kampfstoffen. Vor diesem Hintergrund sind Bilder mit Massengräbern aus New York City ebenso unverständlich wie die vielen Berichte über fehlende Schutzausrüstung, mangelnde Tests sowie eine Bilanz mit bisher mehr als 25.000 Toten.
Hierbei zeigen sich relativ deutlich das Versagen der Politik und die Folgen von Populismus und Nationalismus. Dies begann mit dem seit Langem vergifteten innenpolitischen Klima, in dem Verschwörungstheorien allgegenwärtig sind und selbst medizinische Fakten grundsätzlich politisch bewertet werden. Infolgedessen wurden nach dem Amtsenthebungsverfahren
gegen Trump die Warnungen der Geheimdienste und Experten nicht nur höchst unwillkommen aufgenommen, sondern als Angriff auf den Präsidenten gewertet. Hinweise auf mangelnde Vorbereitung, Tausende defekte Geräte in den Notbeständen und Versorgungmängel wurden reflexhaft als Kritik der Trump-kritischen Medien und wahlkämpfenden Demokraten abgetan.
Zwar hatte Trump bereits zu Beginn seiner Amtszeit die seit 9/11 im Weißen Haus ansässige Pandemie-Taskforce als überflüssig aufgelöst, so hatte er dennoch, wie jetzt bekannt wurde, vom Nationalen Sicherheitsrat seit Jänner entsprechende detaillierte Warnungen. Zu dieser Situation kamen der anlaufende Wahlkampf und der Umstand, dass das Gesundheitsthema zum Standardrepertoire der Demokraten zählt. Jegliche Kritik an der
Trump-Regierung und die Warnungen vor der Krankheit waren somit selbst für die Medien kaum von den üblichen Untergangsszenarien wahlkämpfender Politiker zu unterscheiden.
Das aufgeladene und polarisierte innenpolitische Klima entzweit nicht nur die Parteien sowie Trump und seine Kritiker, sondern auch Landes- und Bundespolitiker. Die demokratischen Gouverneure misstrauten dem Präsidenten und begannen früh Alarm zu schlagen, während republikanische Landespolitiker lang zögerten, überhaupt zu reagieren. Man wollte gegenüber dem eigenen Präsidenten nicht illoyal erscheinen. Diese völlig unterschiedlichen Wahrnehmungen setzten sich nahtlos in den Medien fort, wobei die einen wie Fox News die Situation lang verharmlosten und die anderen einen nationalen Notstand beschworen. Dies verwirrte die Öffentlichkeit dermaßen, dass das Bedrohungsgefühl laut Umfragen fast perfekt mit der politischen Einstellung der Befragten korrelierte – verheerend bei einem Virus, das keine politischen Unterschiede kennt.
Ein weiteres Problem waren die ideologisch motivierten massiven finanziellen Kürzungen im Sozial- und Medizinbereich. Diese betrafen auch die zuständige Behörde für Epidemiebekämpfung. Dieser gelang es längere Zeit nicht, einen verlässlichen Coronatest zu entwickeln. Dies war umso kritischer, als sich die USA für einen Sonderweg entschlossen hatten und den weltweit angewandten WHO-Test nicht für gut genug hielten. Ohne aussagekräftigen Test war man blind unterwegs.
So kam es, wie es kommen musste. Im komplexen föderalen System hatten bald alle das Gefühl, alleingelassen worden zu sein, und trafen oft unkoordiniert eigene Maßnahmen. Präsident und demokratische Gouverneure werfen sich über Twitter wechselseitig Versagen beim Krisenmanagement vor. In dieser aufgeladenen Situation mangelnden Vertrauens zirkulieren die wildesten Gerüchte und somit die Sorge, dass Hilfslieferungen und Geräte aus politischen Gründen in wahlwichtige Regionen umgeleitet würden.
In dieser Lage versuchen sich die Demokratischen Gouverneure der progressiven Küstenstaaten vom erratischen Krisenmanagement Trumps zu entkoppeln, während dieser um sich schlägt, den Gouverneuren droht und letztlich die Schuld bei der WHO sucht – dem Lieblingsfeind eines Nationalisten und Populisten, eine humanitäre internationale Organisation mit all ihren Stärken und Schwächen.
Das Bedrohungsgefühl korreliert mit der politischen Einstellung