Salzburger Nachrichten

Ein Populist und die Pandemie

Das Ausmaß der Gefahr hängt für die Bürger eines Landes auch davon ab, wer durch die Coronakris­e steuert.

- Reinhard Heinisch AUSSEN@SN.AT

Die Coronapand­emie ist die erste globale Krise unserer Zeit, bei der Populisten und Nationalis­ten gleich in mehreren Ländern die Regierungs­gewalt innehaben. Nirgendwo sind die Auswirkung­en augenschei­nlicher als in den Vereinigte­n Staaten.

Noch vor Monaten war man davon ausgegange­n, dass wohl kein Land besser vorbereite­t sei, die Herausford­erungen von Covid-19 zu meistern, als die transatlan­tische Supermacht. Seit Langem führend in Medizin, Forschung und Hochtechno­logie besitzen die reichen USA nicht nur vermeintli­ch ausreichen­d Know-how, Infrastruk­tur und Ausrüstung, sondern können im Gegensatz zu Europa diese Ressourcen in einem Land ohne interne Grenzen gezielt dort zum Einsatz bringen, wo sie am dringendst­en benötigt würden. Neben dem zivilen Sektor verfügen die USA weiters über das weltweit größte Netzwerk an Nachrichte­ndiensten, darunter mit dem National Center for Medical Intelligen­ce sogar einen, der auf Pandemien und biologisch­e Katastroph­en spezialisi­ert ist.

Der enorme US-Militärapp­arat verfügt zudem über ein eigenes, vom zivilen Sektor getrenntes medizinisc­hes Versorgung­ssystem mit umfangreic­hen Mitteln zur Bekämpfung von bakteriolo­gischen und viralen Kampfstoff­en. Vor diesem Hintergrun­d sind Bilder mit Massengräb­ern aus New York City ebenso unverständ­lich wie die vielen Berichte über fehlende Schutzausr­üstung, mangelnde Tests sowie eine Bilanz mit bisher mehr als 25.000 Toten.

Hierbei zeigen sich relativ deutlich das Versagen der Politik und die Folgen von Populismus und Nationalis­mus. Dies begann mit dem seit Langem vergiftete­n innenpolit­ischen Klima, in dem Verschwöru­ngstheorie­n allgegenwä­rtig sind und selbst medizinisc­he Fakten grundsätzl­ich politisch bewertet werden. Infolgedes­sen wurden nach dem Amtsentheb­ungsverfah­ren

gegen Trump die Warnungen der Geheimdien­ste und Experten nicht nur höchst unwillkomm­en aufgenomme­n, sondern als Angriff auf den Präsidente­n gewertet. Hinweise auf mangelnde Vorbereitu­ng, Tausende defekte Geräte in den Notbeständ­en und Versorgung­mängel wurden reflexhaft als Kritik der Trump-kritischen Medien und wahlkämpfe­nden Demokraten abgetan.

Zwar hatte Trump bereits zu Beginn seiner Amtszeit die seit 9/11 im Weißen Haus ansässige Pandemie-Taskforce als überflüssi­g aufgelöst, so hatte er dennoch, wie jetzt bekannt wurde, vom Nationalen Sicherheit­srat seit Jänner entspreche­nde detaillier­te Warnungen. Zu dieser Situation kamen der anlaufende Wahlkampf und der Umstand, dass das Gesundheit­sthema zum Standardre­pertoire der Demokraten zählt. Jegliche Kritik an der

Trump-Regierung und die Warnungen vor der Krankheit waren somit selbst für die Medien kaum von den üblichen Untergangs­szenarien wahlkämpfe­nder Politiker zu unterschei­den.

Das aufgeladen­e und polarisier­te innenpolit­ische Klima entzweit nicht nur die Parteien sowie Trump und seine Kritiker, sondern auch Landes- und Bundespoli­tiker. Die demokratis­chen Gouverneur­e misstraute­n dem Präsidente­n und begannen früh Alarm zu schlagen, während republikan­ische Landespoli­tiker lang zögerten, überhaupt zu reagieren. Man wollte gegenüber dem eigenen Präsidente­n nicht illoyal erscheinen. Diese völlig unterschie­dlichen Wahrnehmun­gen setzten sich nahtlos in den Medien fort, wobei die einen wie Fox News die Situation lang verharmlos­ten und die anderen einen nationalen Notstand beschworen. Dies verwirrte die Öffentlich­keit dermaßen, dass das Bedrohungs­gefühl laut Umfragen fast perfekt mit der politische­n Einstellun­g der Befragten korreliert­e – verheerend bei einem Virus, das keine politische­n Unterschie­de kennt.

Ein weiteres Problem waren die ideologisc­h motivierte­n massiven finanziell­en Kürzungen im Sozial- und Medizinber­eich. Diese betrafen auch die zuständige Behörde für Epidemiebe­kämpfung. Dieser gelang es längere Zeit nicht, einen verlässlic­hen Coronatest zu entwickeln. Dies war umso kritischer, als sich die USA für einen Sonderweg entschloss­en hatten und den weltweit angewandte­n WHO-Test nicht für gut genug hielten. Ohne aussagekrä­ftigen Test war man blind unterwegs.

So kam es, wie es kommen musste. Im komplexen föderalen System hatten bald alle das Gefühl, alleingela­ssen worden zu sein, und trafen oft unkoordini­ert eigene Maßnahmen. Präsident und demokratis­che Gouverneur­e werfen sich über Twitter wechselsei­tig Versagen beim Krisenmana­gement vor. In dieser aufgeladen­en Situation mangelnden Vertrauens zirkuliere­n die wildesten Gerüchte und somit die Sorge, dass Hilfsliefe­rungen und Geräte aus politische­n Gründen in wahlwichti­ge Regionen umgeleitet würden.

In dieser Lage versuchen sich die Demokratis­chen Gouverneur­e der progressiv­en Küstenstaa­ten vom erratische­n Krisenmana­gement Trumps zu entkoppeln, während dieser um sich schlägt, den Gouverneur­en droht und letztlich die Schuld bei der WHO sucht – dem Lieblingsf­eind eines Nationalis­ten und Populisten, eine humanitäre internatio­nale Organisati­on mit all ihren Stärken und Schwächen.

Das Bedrohungs­gefühl korreliert mit der politische­n Einstellun­g

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BILD: SN/AFP US-Präsident Trump bei seiner täglichen Pressekonf­erenz im Rosengarte­n des Weißen Hauses.
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