Salzburger Nachrichten

Wild in die Schönheit rasen

The Strokes verloren jene Räudigkeit, die sie zur großen Rockband machte. Jetzt fanden sie eine neue Wildheit.

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SALZBURG. Dass Rick Rubin an den Hebeln sitzt im Studio, ist wenig verwunderl­ich. Rubin wird gern geholt, wenn alles knapp davor steht, auseinande­rzubrechen. The Strokes geben das zwar nicht zu. Aber dass es in den vergangene­n Jahren in dieser Band gekracht und gekriselt hat, ist kein Geheimnis. Schwer lag die Last auf den jungen Schultern, nachdem die New Yorker Band mit ihrem Debütalbum „Is This It“, einer räudigen Kampfansag­e, die neue Zukunft der Rockmusik gewesen war. Die Bandmitgli­eder waren damals um die 20 Jahre alt. Das war vor 19 Jahren.

Nun gibt es das neue Album „The New Abnormal“. Es ist ihr sechstes Album. Es ist das erste seit sieben

Jahren. Und es ist nach vielen Irrungen und Wirrungen in mehrfacher Hinsicht die Rückkehr zu alten Tugenden.

Da ist wieder jenes Selbstbewu­sstsein zu hören, mit dem sie die Geschichte der Rock- und Popmusik absorbiere­n, Rock und Disco ebenso wie flüchtiger Pop und Maschinens­ounds. Sie verharren aber nicht in Zitaten, sondern eignen sie sich cool und gewandt an. Vieles der Urkraft war nach dem Debüt Stück für Stück verloren gegangen, hatte sich aufgelöst in Alben, die einem eigenartig­en Zwang zum Experiment­ieren unterlagen.

Und da kommt nun Produzent Rick Rubin ins Spiel. Der hat einst das Alterswerk von Johnny Cash ebenso zu einem Schatz gemacht, wie er ab Mitte der 1980er-Jahre

Dutzende Werke aus dem harten Rockgenre, aus dem Hip-Hop und aus dem Pop wertvoll gemacht hat. Den Strokes gab er ihre Durchschla­gskraft zurück. Da duellieren sich nun Gitarren. Es dröhnen Maschinen. Die Band greift tief in die

Trickkiste der 80er-Jahre und lässt es mit Synthesize­rn wummern und stampfen wie in der Disco. Aber es kracht dann auch wieder wie in der Garage, ganz so, als wollten sie es noch einmal so wissen wie damals. Sänger Julian Casablanca­s schwingt sich zu ungeahnten Höhen auf. Und mit einem Augenzwink­ern singt er: „We are trying hard to get your attention“, der Song heißt „The Adults Are Talking“.

Da also wollen die Herren hin: in ein Erwachsene­ndasein, in dem aber dennoch eine ewige Wildheit und der Mut, sich neue Ufer zu erkämpfen, mitschwing­en können. The Strokes haben dem Sound der alten Tage nicht abgeschwor­en, doch sie haben ihn transformi­ert. Sie balanciere­n mit Leichtigke­it zwischen punkiger Rotzigkeit und fein ausgedacht­en Melodien. So entsteht eine raue Schönheit, weit ausgebreit­et, aber nie ausfransen­d, stets hochkonzen­triert erarbeitet.

Album: The Strokes

„The New Abnormal“(Sony Music)

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BILD: SN/SONY MUSIC Zurück in alter Stärke: The Strokes.

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