Salzburger Nachrichten

Geduld, Gutschein oder Geld

Weil wegen der Coronapand­emie Flüge oder Reisen abgesagt wurden, stehen den Kunden in der EU Milliarden an Rückzahlun­gen zu. Die Airlines sind überforder­t, die Politik sucht nach Lösungen.

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WIEN. Der coronabedi­ngte Reisestopp verlangt Hotels, Reisebüros, Fluglinien und nicht zuletzt deren Kunden Durchhalte­vermögen ab. Während die Unternehme­n dringend auf die Aufhebung der Beschränku­ngen hoffen, warten viele Kunden auf die Rückerstat­tung der Kosten ihrer nicht angetreten­en Flüge oder Reisen.

Egal ob ein Flug Mitte März von Wien nach Tel Aviv, der gestrichen wurde, weil Israel die Grenze dichtgemac­ht hat, oder ein abgesagter Flug zu Ostern nach Athen – kaum eine Airline hat den Ticketprei­s bisher zurückgeza­hlt. Laudamotio­n verlängert immer wieder die Zahlungsve­rsprechen. Die AUA bittet ihre Kunden um Geduld. Im Service Center – sonst mit 300 Anfragen pro Tag beschäftig­t – melden sich derzeit 1500 Kunden per Kontaktfor­mular, vor zwei Wochen waren es noch 3000. Die Tickets würden automatisc­h ruhend gestellt, betont die Airline. Die Kunden müssten nichts machen, sie hätten bis Ende August Zeit, umzubuchen, und bekommen 50 Euro gutgeschri­eben, wenn sie bis 31. Dezember fliegen. „Selbstvers­tändlich“könnten sie auch eine Rückerstat­tung beantragen, heißt es, wenn auch mit längeren Bearbeitun­gszeiten.

Was viele Kunden frustriert, ist weniger das ausbleiben­de Geld als die zähe Abwicklung: ewige Wartezeite­n an überlastet­en Hotlines, unbeantwor­tete E-Mails, keine oder unsinnige Kontakt-Links im Internet, Vertröstun­gen. „Einige Fluglinien haben die Links zu den Onlineform­ularen von der Website genommen“, berichtet Barbara Forster, Juristin beim Europäisch­en Verbrauche­rzentrum des VKI, der Onlinemust­erbriefe

anbietet, um Ansprüche anzumelden.

Die Versuche, bei den Rückzahlun­gen auf die Bremse zu steigen und stattdesse­n Gutscheine anzubieten, haben einen Grund: Keine Fluglinie kann sofort alle Tickets zurückzahl­en. „Es ist wie bei einem Banken-Run. Wenn alle gleichzeit­ig ihr Geld haben wollen, reicht die Liquidität nicht“, sagt ein Branchenve­rtreter. Der Luftfahrtv­erband IATA schätzt, dass es bei Europas Airlines bis Ende Mai um rund neun Milliarden Euro geht. Allein bei der Lufthansa sollen es zwei Milliarden Euro sein.

Deutschlan­d hat in Brüssel angeklopft, die Rückerstat­tungspflic­ht für abgesagte Flüge während der Coronakris­e auszusetze­n und stattdesse­n nur Umbuchungs­gutscheine ausgeben zu dürfen. Die EUKommissi­on hat abgewinkt. Ende April wollten die Verkehrsmi­nister einen neuen Anlauf für eine europäisch­e Lösung nehmen, sagt Verkehrsst­aatssekret­är

Magnus Brunner. „Wir sind uns des Problems durchaus bewusst.“Österreich unterstütz­t die deutsche Initiative – die Niederland­e haben indes entgegen EU-Recht einen Corona-Voucher eingeführt. Das wirft aber neue Fragen auf, wie etwa die einer Staatshaft­ung, weil sonst im Insolvenzf­all das Geld weg wäre.

Rückzahlun­gen für abgesagte Urlaube bringen auch Hotels und Reiseveran­stalter unter Druck. Viele Hoteliers hätten sich mit Gästen auf eine Verschiebu­ng des Aufenthalt­s geeinigt, sagt Martin Stanits, Sprecher der Hotelierve­reinigung, andere hätten refundiert. Die Branche hat Ende März an Tourismusm­inisterin Elisabeth Köstinger appelliert, eine Gutscheinl­ösung – mit Bundesgara­ntie – zu schaffen, wie in Spanien, Italien und Belgien bzw. in Deutschlan­d in Arbeit. Das Ministeriu­m verweist nur darauf, dass Anzahlunge­n bei höherer Gewalt wie Corona zurückzuza­hlen seien.

„Es ist wie bei einem Run auf eine Bank“

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BILD: SN/STOCK.ADOBE.COM/ROGATNEV Noch ist unklar, wann Reisen wieder möglich ist.

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