Wann ist die große Pause endlich vorbei?
Klare Coronaregeln für Sportler, für Schüler ist dafür noch vieles unklar. Das erregt zunehmend die Gemüter der Eltern und Lehrer.
WIEN. Dänemark öffnete diese Woche die ersten Schulen, in den Niederlanden sollen manche Schulen am 3. Mai öffnen, in Frankreich eine Woche später. In Deutschland verschärft sich der föderale Streit um die Öffnungen. Und in Österreich?
Hierzulande steht die schulische Exit-vom-Exit-Strategie noch nicht fest. Nur die Maturanten wissen, dass sie Anfang Mai, drei Wochen vor dem Maturatermin, wieder mit dem Unterricht starten. Die Regierung, die Tennisspielen und Segelfliegen ab Mai erlaubt, will sich offenbar die Entwicklung der Infektionszahlen nach der Öffnung im Handel ansehen und Ende April entscheiden, ob eine Schulöffnung Mitte Mai möglich ist. Wie diese aussieht, ist offen. Dem Vernehmen nach werden Schichtbetriebslösungen diskutiert. Am wahrscheinlichsten könnte eine „Kurzarbeits“Lösung sein, bei der die Klassen geteilt werden. Gruppe A besucht Montag, Mittwoch und Freitag die Schule, Gruppe B Dienstag und Donnerstag. In der folgenden Woche ist Gruppe B dann Montag, Mittwoch und Freitag dran. Unterricht könnte nur in den Hauptfächern erfolgen. Von der Variante, die Klassen in Vormittagsgruppen und
Nachmittagsgruppen zu teilen, soll man wieder abgekommen sein.
Eltern beklagen derweil nicht nur die fehlende Planungssicherheit, sondern auch die Verwirrung darüber, wer sein Kind schon bisher in die Schule schicken durfte. Christina Aumayr-Hajek, Kommunikationsberaterin und Mutter zweier Schulkinder, weist im SN-Gespräch darauf hin, dass die Betreuung nur „theoretisch“für alle Eltern offen sei. Denn viele Schulen kommunizierten: „Nur für Eltern in systemrelevanten Berufen.“Das habe in der ersten Welle vor Ostern, so der persönliche Eindruck Aumayr-Hajeks, viele Eltern so verschreckt, dass es in vielen Klassen keine Anmeldungen gegeben habe. „Wir sind halt ein wahnsinnig konservatives, obrigkeitshöriges Land – da haben alle im vorauseilenden Gehorsam die Kinder natürlich zu Hause gelassen.“Besonders ärgern Aumayr-Hajek Fälle wie der an einer Wiener Volksschule. Dort erfuhr eine aus Polen stammende Reinigungskraft, die ihre Tochter in Betreuung geben wollte, von der Schule: „Putzfrau ist kein systemrelevanter Beruf.“Aumayr-Hajek: „Eine unglaubliche Sauerei, weil alle einen Rechtsanspruch auf Betreuung haben.“Viele Eltern hätten bisher nicht auf die ihnen zustehende Betreuung gepocht. „Ich hoffe, dass jetzt nach Ostern der Druck steigt, weil vielen Eltern der Saft ausgehen wird.“Es brauche in der Kommunikation volle Klarheit, dass die Betreuung allen offenstehe.
Im Ministerium wird betont, man habe von Anfang an darauf hingewiesen,
dass neben systemrelevanten Berufen auch Eltern ihre Kinder an die Schule schicken könnten, „wenn es ansonsten zu einer Überlastung in der Familie kommt“.
Für Aumayr-Hajek geht es auch um den sozialen Aspekt: „Kinder brauchen Kinder. Das ist auch ein großes Sozialexperiment – dem keine Datenlage zugrunde liegt. Kinder und Schüler haben keine Lobby in diesem Land.“
Auch der aus dem Coronakrisenstab ausgeschiedene Public-HealthExperte Martin Sprenger hat die soziale Isolation der Schüler kritisiert und sich für ein frühes überwachtes Aufsperren der Schulen in drei Bundesländern
ausgesprochen. Hätte sich in zwei, drei Wochen am Krankheitsgeschehen nichts getan, hätten andere Länder folgen können.
Die Lehrerlobby ist stark. Der oberste Pflichtschullehrergewerkschafter Paul Kimberger greift in die Vollen: „Die Situation ist aus meiner Sicht untragbar, weil unsere Schulen flächendeckend nicht mit Schutzmaterial und Desinfektionsmitteln ausgestattet sind.“Teilweise gebe es nicht einmal Warmwasser zum Händewaschen. „Solange diese flächendeckende Versorgung der Schulen nicht gewährleistet ist, brauchen wir uns über irgendeinen Schulstart keine Gedanken machen.“ – Sollten die Infektionszahlen nach der Öffnung des Handels steigen, auch nicht.
Zur angeblich von der Gewerkschaft an den Minister herangetragenen Forderung nach einer Maskenpflicht an den Schulen sagt Kimberger: „Ich hätte persönlich nichts gegen eine Schutzmaskenpflicht an der Schule, wobei mir bewusst ist, dass es immer schwieriger wird, je kleiner die Kinder sind.“
Auch Bildungsforscher Stefan Hopmann stört die Planungsunsicherheit: „Da ziehen so verschiedene Kräfte, dass es dem Ministerium nicht gelingt, eine klare Haltung vorzugeben. Dazu kommt noch das Problem der mehrfachen Verwaltungsstrukturen in Österreich, die die Durchgriffsmöglichkeiten des Ministeriums begrenzen.“
Hopmann sieht das Problem darin, dass weiter die Ermöglichung von Prüfungen und bewerteten Leistungen angestrebt werde. Er hätte sich gewünscht, dass das Ministerium sich früh dazu aufgerafft hätte, „den Rest des Schuljahrs quasi in Klammern zu setzen“. Es sollte freiwillige Angebote geben, wer es brauche, könne zur Schule kommen, „aber keine verpflichtenden Leistungsbewertungen und keine negativen Folgen, wenn man am jeweiligen Onlinebetrieb nicht vollständig teilnehmen kann. Das hätte man leicht von vornherein klären können.“Auch andere Staaten hätten dies so gehandhabt.
Die SPÖ fordert ebenfalls „endlich Klarheit“, wie an den Schulen Unterricht und Betreuung weiter auszusehen haben.
„Ich hätte nichts gegen eine Schutzmaskenpflicht an der Schule.“
Paul Kimberger, Lehrervertreter