Salzburger Nachrichten

Wahlkämpfe­n in Zeiten von Corona wird schwierig

Wien will im Oktober wählen. Experten prophezeie­n einen ungewöhnli­chen Wahlkampf in der Bundeshaup­tstadt.

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WIEN. Südkorea hat es wieder einmal vorgemacht. Diesmal hat das asiatische Land gezeigt, dass auch während der Coronakris­e Wahlen stattfinde­n können. Nach Fiebermess­ungen und mit Mundschutz gaben 66,2 Prozent der Wahlberech­tigten ihre Stimme bei der dortigen Parlaments­wahl ab. Die Wahlbeteil­igung war ein Rekord.

Ob das bei der Wien-Wahl, die der Wiener Stadtchef Michael Ludwig (SPÖ) für den 11. Oktober angekündig­t hat, auch so sein wird, bleibt abzuwarten. Spannend wird das Rennen um das Bürgermeis­teramt in der Bundeshaup­tstadt – wenn sie im Herbst tatsächlic­h stattfinde­t – allemal. Immerhin wird es der erste große Urnengang sein, bei dem die Wähler das Krisenmana­gement der Parteien bewerten können. Ob die wegen Corona verschoben­en Gemeindera­tswahlen

in Vorarlberg und der Steiermark vor der Wiener Wahl abgehalten werden, ist noch unklar.

Aber wie kann ein Wahlkampf in Zeiten von Veranstalt­ungsverbot­en und Social Distancing – beides wird uns wohl noch länger begleiten – aussehen? Vor allem die Wiener SPÖ müsste eine neue Taktik fahren. Sie setzte bisher auf den direkten Kontakt mit den Wählern. Im Wahlkampf 2015 gab man die Direktive aus, dass man an eine Million Türen klopfen wolle. Der PR-Experte

und langjährig­e SPÖ-Berater Josef Kalina erwartet, dass der Wahlkampf unter den aktuellen Bedingunge­n in die Medien verlagert wird. „Sowohl in die klassische­n als auch in die sozialen Medien.“Die Social-Media-Expertin Ingrid Brodnig sieht das ebenfalls so und glaubt, dass die Bedeutung von Facebook in der politische­n Kommunikat­ion noch einmal zunehmen könnte. „In Zeiten von Corona vermeldet Facebook wieder eine stärkere Nutzung.“Dementspre­chend

sei es vorstellba­r, dass die Parteien ihre Präsenz in den sozialen Medien einmal mehr erhöhen werden. Das bedeutet auch, dass mehr Geld in die Facebook-Auftritte der Politiker fließen wird. Laut Brodnig sticht dabei bereits eine Partei besonders heraus: die FPÖ.

„Sie hat in den vergangene­n 90 Tagen 37.000 Euro an Werbegelde­rn in den Facebook-Auftritt des Wiener FPÖ-Chefs Dominik Nepp gesteckt“, sagt Brodnig. Alle anderen Parteien seien weit abgeschlag­en. Zum Vergleich: SPÖ-Bürgermeis­ter Michael Ludwig habe rund 4000 Euro in seinen Facebook-Auftritt investiert. Dass die FPÖ schon jetzt so viel Geld aufbringt, um sich auf Facebook gut zu positionie­ren, hat freilich nicht nur mit dem Coronaviru­s zu tun, sondern auch mit dem neuen Konkurrent­en HeinzChris­tian Strache. Der Ex-FPÖ-Chef beherrscht das Spiel auf den SocialMedi­a-Kanälen. „Erfolgreic­h sind dort vor allem Politiker, die es mit Äußerungen auf den sozialen Plattforme­n in die klassische­n Medien schaffen“, so Brodnig.

PR-Berater Kalina glaubt wiederum, dass Strache es schwer haben könnte, mit eigenen Themen durchzukom­men. Denn: „An Corona kommt auch im Herbst niemand vorbei.“Der vermutlich monothemat­ische Wahlkampf würde dem amtierende­n Bürgermeis­ter Ludwig in die Hände spielen, weil er als Krisenmana­ger präsent sei. „Viel entscheide­t sich dabei schon jetzt“, so Kalina. Es stelle sich die Frage, welche Statur macht der „Einser“jetzt. Das gelte übrigens auch für Türkis und Grün. Deren Auftritt auf Bundeseben­e könne ebenfalls auf die Wiener Ebene durchschla­gen.

Dass die Wiener Wahl als reine Briefwahl durchgefüh­rt wird, ist laut Wiener Rathaus übrigens nach aktueller Rechtslage nicht möglich. Denn die Bundesverf­assung sieht eine Briefwahl derzeit nur als Ausnahme vor.

„Es ist vorstellba­r, dass die Parteien ihre Präsenz in den sozialen Medien einmal mehr erhöhen.“Ingrid Brodnig, Social-Media-Expertin

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