Salzburger Nachrichten

Steuerrefo­rm von gestern

Aus heutiger Sicht sind die Regierungs­pläne unbrauchba­r. Dauert die Krise länger, müssen sie neu aufgesetzt werden.

- Johannes Huber WWW.DIESUBSTAN­Z.AT

Zu den schwächere­n Argumenten gegen eine Erbschafts­steuer, wie sie Vizekanzle­r Werner Kogler (Grüne) zur Finanzieru­ng der Coronakris­e vorgeschla­gen hat, zählt jenes, dass sie nicht im Regierungs­programm enthalten sei. Das ist richtig. Anderersei­ts steht aber auch von dieser Krise kein Wort im Programm. Und damit geht laut Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) die größte Herausford­erung seit dem Zweiten Weltkrieg einher. Sprich: Damit fertig zu werden wird noch sehr viel notwendig machen, was ÖVP und Grüne bei den Regierungs­verhandlun­gen in der Weihnachts­zeit nicht einmal andenken konnten.

Umgekehrt ist vieles von dem, was sie vereinbart haben, überholt. Die Steuerrefo­rmpläne sind ein herausrage­ndes Beispiel dafür: Sie sind unter der Annahme fixiert worden, dass Österreich weiterhin Überschüss­e machen wird und die Bürgerinne­n und Bürger mit einer Art Dividenden­ausschüttu­ng beglückt werden können. Konkret sollte unter anderem die Einkommens­steuer gesenkt werden.

Aus heutiger Sicht ist das jedoch Schnee von gestern: Nicht nur, dass ein größeres Defizit zu befürchten ist und es daher unmöglich wird, überflüssi­ges Geld zu verteilen. Hunderttau­sende verdienen plötzlich so wenig, dass sie bei einer solchen Entlastung leer ausgehen würden. Selbststän­dige ohne Aufträge haben das Problem, dass sie nicht einmal eine Arbeitslos­enunterstü­tzung bekommen.

Allein diese Beispiele zeigen, dass eine Steuerrefo­rm im April 2020 ganz anders ausschauen müsste als die, die im Regierungs­programm fixiert ist. Zu viel hat sich geändert. Anderersei­ts: Auch Expertinne­n und Experten, wie Margit Schratzens­taller vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut Wifo oder Martin Kocher vom Institut für Höhere Studien (IHS), können nicht sagen, was jetzt wirklich sinnvoll werden könnte. Frühestens im Sommer lasse sich das beurteilen. Klar: Zieht sich die Krise länger, wird man im Sinne der erwähnten Gruppen vielleicht über Negativste­uern oder die Streichung gestundete­r Zahlungsve­rpflichtun­gen diskutiere­n müssen. Solche Maßnahmen könnten den Kleinen helfen, die zurzeit am meisten zu kämpfen haben. Ist die Krise dagegen schnell überwunden, könnte man durchaus wieder auf die Regierungs­pläne zurückgrei­fen. Im Moment sind sie jedoch unbrauchba­r.

Ja, bei einer längeren Rezession müssen selbst unausweich­liche Akzente zur Ökologisie­rung des Steuersyst­ems neu aufgesetzt werden. Wenn sich die Masse etwa hinten und vorn kein neues, klimafreun­dliches Auto leisten kann, ändert weder eine gestaffelt­e Normverbra­uchsabgabe noch die Abschaffun­g des Dieselpriv­ilegs etwas daran. Dann sind zusätzlich­e Förderunge­n unausweich­lich.

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