Steuerreform von gestern
Aus heutiger Sicht sind die Regierungspläne unbrauchbar. Dauert die Krise länger, müssen sie neu aufgesetzt werden.
Zu den schwächeren Argumenten gegen eine Erbschaftssteuer, wie sie Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) zur Finanzierung der Coronakrise vorgeschlagen hat, zählt jenes, dass sie nicht im Regierungsprogramm enthalten sei. Das ist richtig. Andererseits steht aber auch von dieser Krise kein Wort im Programm. Und damit geht laut Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg einher. Sprich: Damit fertig zu werden wird noch sehr viel notwendig machen, was ÖVP und Grüne bei den Regierungsverhandlungen in der Weihnachtszeit nicht einmal andenken konnten.
Umgekehrt ist vieles von dem, was sie vereinbart haben, überholt. Die Steuerreformpläne sind ein herausragendes Beispiel dafür: Sie sind unter der Annahme fixiert worden, dass Österreich weiterhin Überschüsse machen wird und die Bürgerinnen und Bürger mit einer Art Dividendenausschüttung beglückt werden können. Konkret sollte unter anderem die Einkommenssteuer gesenkt werden.
Aus heutiger Sicht ist das jedoch Schnee von gestern: Nicht nur, dass ein größeres Defizit zu befürchten ist und es daher unmöglich wird, überflüssiges Geld zu verteilen. Hunderttausende verdienen plötzlich so wenig, dass sie bei einer solchen Entlastung leer ausgehen würden. Selbstständige ohne Aufträge haben das Problem, dass sie nicht einmal eine Arbeitslosenunterstützung bekommen.
Allein diese Beispiele zeigen, dass eine Steuerreform im April 2020 ganz anders ausschauen müsste als die, die im Regierungsprogramm fixiert ist. Zu viel hat sich geändert. Andererseits: Auch Expertinnen und Experten, wie Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo oder Martin Kocher vom Institut für Höhere Studien (IHS), können nicht sagen, was jetzt wirklich sinnvoll werden könnte. Frühestens im Sommer lasse sich das beurteilen. Klar: Zieht sich die Krise länger, wird man im Sinne der erwähnten Gruppen vielleicht über Negativsteuern oder die Streichung gestundeter Zahlungsverpflichtungen diskutieren müssen. Solche Maßnahmen könnten den Kleinen helfen, die zurzeit am meisten zu kämpfen haben. Ist die Krise dagegen schnell überwunden, könnte man durchaus wieder auf die Regierungspläne zurückgreifen. Im Moment sind sie jedoch unbrauchbar.
Ja, bei einer längeren Rezession müssen selbst unausweichliche Akzente zur Ökologisierung des Steuersystems neu aufgesetzt werden. Wenn sich die Masse etwa hinten und vorn kein neues, klimafreundliches Auto leisten kann, ändert weder eine gestaffelte Normverbrauchsabgabe noch die Abschaffung des Dieselprivilegs etwas daran. Dann sind zusätzliche Förderungen unausweichlich.