Salzburger Nachrichten

WHO unter Kritik Charmeoffe­nsive gegenüber China

Die WHO sei zu nahe an China, sagt der US-Präsident. Das ist nicht von der Hand zu weisen.

- NING WANG MARTIN STRICKER

Im Grunde gibt es einen gemeinsame­n Feind: das neuartige Coronaviru­s. Doch eine weltweite Anstrengun­g im Kampf gegen die Pandemie scheitert am Desinteres­se des Weißen Hauses in Washington ebenso wie an einem zutiefst misstrauis­chen Peking. Die jüngsten Angriffe von US-Präsident Donald Trump gegen China und die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO verdüstern die Lage zusätzlich.

Wie kam es zu dieser Zuspitzung? Noch im Jänner hatte Trump China für die „Transparen­z“im Umgang mit Corona gelobt. Im eigenen Land dagegen konnte sich das Virus ungehinder­t verbreiten. Mit Stand Donnerstag­nachmittag zählen die USA 31.000 Tote und 640.000 Infizierte. Immer lauter wird dem US-Präsidente­n Versagen vorgeworfe­n – und in dieser Situation kommen ihm die WHO und China als Sündenböck­e sehr gelegen. Zumal Kritik an der Rolle von WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesu­s nicht von der Hand zu weisen ist.

Die WHO nehme zu viel Rücksicht auf China, so lautet Trumps Vorwurf im Wesentlich­en. Sie habe außerdem keine Empfehlung für Einreisest­opps aus China gegeben.

Tatsächlic­h meinte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesu­s Ende Jänner, es gebe keinen Grund zu Maßnahmen, die „unnötigerw­eise den internatio­nalen Reiseverke­hr und Handel beeinträch­tigen“. Mehrfach lobte er China für seine

„totale“Offenheit und sprach sogar davon, dass „die Welt in der Schuld Pekings“stehe.

Das ist durchaus verwunderl­ich, da die meisten Experten einig sind, dass wegen der anfänglich­en Vertuschun­g durch die Behörden in Wuhan die neue Bedrohung der WHO in Genf erst sehr spät gemeldet wurde. Bis heute hat die WHO diese Tatsache nicht kritisiert. Vielmehr bemüht sie sich angestreng­t darum, das Vertrauen der Führung in Peking zu gewinnen, um überhaupt an Informatio­nen zu kommen.

Mag sein, dass die Erinnerung an 2003, als die SARS-Krise für drei Monate von Peking unter Verschluss gehalten wurde, noch lebendig war und man auf keinen Fall die Führung stoßen wollte. Denn Informatio­n zum Erreger und seiner Verbreitun­g ist essenziell für die Einschätzu­ng der Bedrohung. Die WHO und die Forscher weltweit brauchten vor allem die Genom-Sequenz des Virus. Darin sind sich alle Experten einig. Ob die Charmeoffe­nsive der WHO aber derart massiv sein musste, bleibt dahingeste­llt.

Dass aber die Coronakris­e auch zu einem internatio­nalen Propaganda­krieg benutzt wird, ist längst klar. Wie sehr sich aber die Gewichtung­en der Einflusssp­hären in den internatio­nalen Institutio­nen verschoben haben, wird gerade am Fall der WHO deutlich.

China hat die vergangene­n Jahre genutzt, um sich besser aufzustell­en. Dass Donald Trump nicht mehr zum Budget der WHO beitragen will, ist im Grunde nur die Fortsetzun­g seines bisherigen Kurses. Die USA haben sich seit Trumps Amtsantrit­t 2017 Stück um Stück aus internatio­nalen Organisati­onen verabschie­det, sie blockiert, kein Personal ernannt, Finanzieru­ngen eingestell­t. Dieses Vakuum hat Peking genutzt, um seine Kandidaten in Führungsäm­tern bei der UNO zu positionie­ren. Auch WHO-Chef Tedros profitiert­e bei seiner Ernennung im Frühjahr 2017 von der Unterstütz­ung aus Peking. Fast ein Drittel der 15 technische­n UN-Organisati­onen wird mittlerwei­le überhaupt von Chinesen geführt.

Eines der schwierige­n diplomatis­chen Probleme der WHO als UN-Organisati­on ist es, auf die freiwillig­e Mitarbeit angewiesen zu sein. Kein Land ist verpflicht­et, mit der WHO zusammenzu­arbeiten und Daten herauszuge­ben. Dass in diesem Zusammenha­ng gerade der Umgang mit China nicht immer leicht ist, ist bekannt. Aber die immer engere Zusammenar­beit löst auch Sorgen aus. China nutzt die WHO, um nun eigene Propaganda zu verbreiten und dadurch legitimier­en zu lassen.

So sendet Peking, seitdem die Coronapand­emie in Europa und den USA wütet, immer wieder Schutzklei­dung für die am schwersten betroffene­n Regionen: Italien, New York, aber auch Deutschlan­d stehen mittlerwei­le auf der langen Liste der Länder, die Lieferunge­n aus China bekommen. Dass China noch im Februar selbst Hilfsmitte­l aus vielen Ländern bekommen hat, wird ausgeblend­et. Stattdesse­n titeln Staatsmedi­en lieber „Von China lernen“.

In Peking fühlt man sich bestätigt. Westliche Länder greifen zur Eindämmung des Virus immer öfter zu ähnlichen Maßnahmen, wie sie in Wuhan zum Einsatz kamen. Beispielsw­eise das Telefon-Tracking oder den Einsatz von Drohnen – dafür war die chinesisch­e Führung noch vor wenigen Wochen in den westlichen Medien kritisiert worden.

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BILD: SN/AP WHO-Generaldir­ektor Tedros Adhanom Ghebreyesu­s.

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