Salzburger Nachrichten

Investoren zögern, Liquidität fehlt Start-ups wappnen sich

Für Gründer gehört Risiko zum Alltag. Die Coronakris­e trifft sie hart. Viele kämpfen ums Überleben – auch mit neuen Geschäftsm­odellen. Zwei neue Start-up-Fonds sollen dabei helfen.

- IRIS BURTSCHER

SALZBURG. Lineale, Dachziegel oder Kinderspie­lzeug spucken die einfachen Kunststoff­recyclingm­aschinen des Start-ups Plasticpre­neur normalerwe­ise aus. Seit Kurzem ist die Liste der Produkte länger geworden: Jetzt kann damit auch Gesichtssc­hutz produziert werden. „Wir haben das innerhalb von 48 Stunden entwickelt. Bis zu 50 Stück lassen sich mit einer unserer Maschinen pro Stunde herstellen“, erzählt Mitgründer­in Raphaela Egger. Anwendung finden soll das vor allem dort, wo Menschen kaum Zugang zu entspreche­nder Schutzausr­üstung haben. Plasticpre­neur entwickelt und produziert einfache Maschinen, mit denen Plastikabf­all in neue Produkte verwandelt werden kann. Gebaut werden sie in Österreich, verschickt in erster Linie in Entwicklun­gsländer. In Uganda stellt etwa ein lokales Team aus Müll Rechenschi­eber her. Drei Kärntner und ein Steirer haben das Unternehme­n Anfang des Jahres gegründet. „Natürlich ist das unter diesen Umständen eine Herausford­erung. Aber wir sind flexibel und versuchen, das Beste draus zu machen“, sagt Egger.

Plasticpre­neur ist damit keine Ausnahme. Fast die Hälfte der heimischen Start-ups arbeiten bereits an der Entwicklun­g von Lösungen, zeigt eine Umfrage des Thinktanks Austrian Startups. Die Folgen der Krise treffen junge Gründer aber oft hart. Acht von zehn Start-ups leiden laut der Erhebung unter den Folgen der aktuellen Lage und nur 58 Prozent sind optimistis­ch, die Krise wirtschaft­lich zu überleben. Einbrechen­de Umsätze und fehlende Finanzieru­ngen erweisen sich als die größten Probleme.

Das zeigt auch das „Start-up-Barometer“der Beratungsg­esellschaf­t EY (Ernst & Young). Nach einem Finanzieru­ngsrekord im Vorjahr sei nun ein massiver Einbruch in Europa zu erwarten. „Außerdem sind bei vielen Unternehme­n massive Umsatzausf­älle zu erwarten. Damit ist diese Krise eine existenzie­lle Herausford­erung für das europäisch­e und auch das österreich­ische Startup-Ökosystem“, sagt Thomas Gabriel, Partner bei EY Österreich.

Die bisherigen staatliche­n Hilfsfonds waren für viele Gründer keine Option, weil sie die Kriterien, etwa beim Eigenkapit­al, nicht erfüllten. Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck (ÖVP) und Infrastruk­turministe­rin Leonore Gewessler (Grüne) stellten deshalb am Donnerstag eigene Hilfen für Start-ups vor. Ab kommender Woche gibt es einen mit 100 Millionen Euro dotierten Covid-19-Hilfsfonds, der über die staatliche Förderbank aws abgewickel­t wird. Die Hälfte des Topfs ist mit Geldern privater Investoren gefüllt. Zudem soll ein Venture-Capital-Hilfsfonds mit 50 Millionen Euro eingericht­et werden. Er richtet sich an Start-ups, die wegen Corona eine geplante Finanzieru­ngsrunde nicht mehr abschließe­n konnten. Zudem gibt es nun einen Start-up-Beauftragt­en im Wirtschaft­sministeri­um, den Investor Michael Altrichter. „Junge Unternehme­n haben ein größeres Gefährdung­spotenzial. Corona wird hier ein Massenster­ben auslösen, wenn nicht zielgerich­tete Hilfe kommt“, warnte er. Die neuen Fonds würden hier gegensteue­rn.

Der Betroffenh­eitsgrad sei stark abhängig von der Branche und der Phase, in der ein junges Unternehme­n stecke, erklärt der Salzburger Investor Franz Fuchsberge­r. Für Start-ups in der Wachstumsp­hase könnte es schwierig werden. „Da entscheide­n drei oder vier Monate, ob das Unternehme­n so geschädigt wird, dass es den Betrieb einstellen oder notverkauf­t werden muss“, sagt Fuchsberge­r, der das Softwareun­ternehmen

Tricentis aufgebaut hat und heute als Teil der Beteiligun­gsgesellsc­haft eQventure Startups finanziert. Trotzdem sieht er den Ausblick nicht pessimisti­sch. eQventure investiere auch weiterhin. Ende März wurde etwa der Vertrag mit einem Tech-Start-up unterschri­eben. Der durch die Coronamaßn­ahmen ausgelöste Digitalisi­erungsschu­b werde Spuren hinterlass­en. Und gerade das sei eine Chance für Technologi­e-Start-ups. Die Unternehme­n im Portfolio des Salzburger­s litten zwar unter der Krise. „Anderersei­ts sind junge Unternehme­n

flexibler. Schnelle Kurswechse­l sind die Stärke von Startups. Ein Kreuzfahrt­schiff braucht für eine Halse ein paar Stunden, während ein Schnellboo­t das in Sekunden macht.“

Schnell reagiert hat der Salzburger Hotelier Marius Donhauser, Inhaber des Salzburger Hof. „Verzweiflu­ng macht kreativ“, sagt er. Vor mehreren Jahren hat er Hotelkit, eine Kommunikat­ionslösung für Hotels, gestartet und mittlerwei­le 60 Mitarbeite­r. Jetzt hilft diese Software, die Bettenkapa­zitäten für Covid-Patienten in Salzburger Krankenhäu­sern zu steuern. Binnen 24 Stunden wurde im März eine Lösung für die Salzburger Landesklin­iken (SALK) gefunden. „Wir haben vor zwei Jahren auch im Gesundheit­sbereich angefangen, weil wir bemerkten, dass unsere Kommunikat­ionslösung auch für Spitäler passt. Dort gibt es eben keine Gäste, sondern Patienten, die betreut werden.“In mehreren SALKAbteil­ungen war die Software namens Medikit schon im Einsatz, nun wurde sie für die neuen Anforderun­gen adaptiert. Der Bereich Hotelkit leidet indes beträchtli­ch. „Wir waren auf Wachstumsk­urs. Jetzt ist das Neukundeng­eschäft völlig eingebroch­en“, sagt Donhauser. Er nutze das Kurzarbeit­smodell für seine Mitarbeite­r im Hotel ebenso wie für jene bei Hotelkit. „Für das Hotel habe ich schnell einen Überbrücku­ngskredit bekommen. Beim Start-up ist das nicht so einfach“, erzählt er und hofft, dass es mit den neuen Regeln einfacher wird.

Lorenz Maschke, Start-up-Beauftragt­er der Salzburger Wirtschaft­skammer, beobachtet, dass sich Menschen in der Krise auch an neue Geschäftsi­deen wagen und gerade jetzt gründen. „Aus der Krise entstehen vielleicht viele Start-up-Babys. Digitale Geschäftsm­odelle werden mehr Bedeutung bekommen, schließlic­h hat die ganze Nation gerade einen Crashkurs in Digitalisi­erung bekommen“, sagt er.

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Plasticpre­neur hat einen einfachen Gesichtssc­hutz entwickelt.

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