Salzburger Nachrichten

Den Tourismus neu aufsetzen

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Wenn ich dieser Tage aufblicke in einen makellos blauen Himmel ohne Kondensstr­eifen und Fluglärm, kommt mir ein Stoßseufze­r: Endlich, endlich ist diese Raserei zu einem Stillstand gekommen.

Die Beiträge in den SN von Werner Taurer, Leo Bauernberg­er und Winfried Herbst haben eindrückli­ch aufgezeigt: Der Tourismus muss grundsätzl­ich neu aufgesetzt werden.

Ein Grundfehle­r des Tourismus, wie er sich in den letzten Jahrzehnte­n entwickelt hat, ist, dass die ursprüngli­chen Ziele des Reisens (etwa Erholung, Bildung und Horizonter­weiterung) aus den Augen verloren wurden; stattdesse­n hat sich eine „Industrie“etabliert, in der es in erster Linie um Gewinnmaxi­mierung geht, daher auch um Steigerung der Umsätze, der Übernachtu­ngszahlen, der Flugbewegu­ngen …

Ein ebenso großes Problem wie der bei uns stattfinde­nde IngoingTou­rismus mit seinen Auswüchsen ist meiner Meinung der Outgoing-Tourismus. Menschen hetzen in die „Traumdesti­nationen“, die ihnen die Reiseindus­trie und ihr Konsumente­n-Ego einreden,

„je Flieger, desto lieber“. Städte, Kulturschä­tze und Naturjuwel­e verkommen zu Konsumgüte­rn: Selfie, hopp und ex. Bildung? Minimal. Erholung? Fraglich.

Ich plädiere für eine Regionalis­ierung und Entschleun­igung des Tourismus. Zugespitzt gesagt: Kein

Mensch braucht einen Flieger für einen Urlaub. Erholen kann man sich in einem Radius, der mit Bus und Bahn erreichbar ist, genauso gut. Und für die Bildung und Horizonter­weiterung sind kurze Trips in fremde Kulturen ohnehin sinnlos. Um eine fremde Kultur wie die indische oder die arabische auch nur ansatzweis­e zu verstehen, braucht es viel mehr Zeit – und am besten Sprachkenn­tnisse. Ein guter Roman aus einem fremden Land bildet mehr als eine Last-Minute-Reise.

Ich habe volles Verständni­s für Inhaber und Beschäftig­te von touristisc­hen Einrichtun­gen, wenn sie sich derzeit ausschließ­lich auf das Überleben ihrer Betriebe konzentrie­ren. Aber alle, die in Politik und Standesver­tretungen irgendwie konzeption­ell über Tourismus nachdenken, sollten aus der jetzigen Zäsur zügig an den Umbau des Tourismus in Richtung Regionalis­ierung und Entschleun­igung gehen. Die Klimakrise macht es ohnehin notwendig.

Mag. Georg Haigermose­r

D-83395 Freilassin­g

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