Querschüsse aus dem Westen
Der Corona-Ausnahmezustand löst Spannungen in der Koalition aus.
Ist es ein Regierungszwist mit überschaubarer Bedeutung auf Vorarlberger Ebene – oder ein Versuchsballon, mit dem die Belastbarkeit der türkis-grünen Bundesregierung überprüft werden soll? Fest steht, dass der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) in einem Interview mit den „Vorarlberger Nachrichten“einige Sätze von sich gab, die bei seinem grünen Regierungspartner gar nicht gut ankamen. Wallner merkte an, dass das bisherige Regierungsprogramm „aus vergangenen Zeiten“stamme, weshalb man sich jetzt „auf eine neue politische Agenda“einigen müsse. Es zählt nicht eben zu den vertrauensbildenden Maßnahmen in einer Koalition, dem Partner in einem Zeitungsinterview auszurichten, dass man den Koalitionspakt im Altpapier zu entsorgen gedenkt.
Entsprechend verärgert reagierte Wallners Regierungspartner, der grüne Landeschef und Mobilitätslandesrat Johannes Rauch. Der mediale Auftritt des LH sei unnötig gewesen, weil er, Rauch, ohnehin schon seit Wochen an einer coronagerechten Adaptierung der gemeinsamen Politik arbeite. Dazu bedürfe es keiner Unfreundlichkeiten in Zeitungsinterviews.
Oder sollte hier bloß auf Landesebene ausgetestet werden, wie weit die Grünen auch auf Bundesebene eine Änderung des dortigen Koalitionspakts hinnehmen würden? In Wien sorgte das Interview jedenfalls ebenfalls für Wirbel, immerhin hatte Wallner auch laut darüber nachgedacht, das türkis-grüne Regierungsprogramm auf Bundesebene
neu auszuarbeiten. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Werner Kogler (Grüne) mussten daraufhin gemeinsam ausrücken, um „die gute Zusammenarbeit“zu betonen. Auch Wallner ruderte später zurück und wies Neuwahlspekulationen entschieden zurück. Kurz und Kogler stellten klar: „Der Landeshauptmann hat seine Aussagen klargestellt. Wir arbeiten in der Bundesregierung vor, in und nach der Krise gut zusammen.“
Das Misstrauen zwischen den Koalitionspartnern wird nach dem ersten Coronaschock langsam größer. Vor allem die Grünen fürchten, so hört man hinter den Kulissen, dass die Türkisen den Ruhm für die bislang solide Krisenbewältigung allein einfahren und dem Juniorpartner dafür den schwarzen Peter für jene Punkte zuschieben wollen, die nicht so gut laufen. GrünenChef Kogler wiederum wird nicht müde, die angeblichen Pannen im ÖVP-geführten Bundesland Tirol zu betonen. Die grüne Basis sieht jedenfalls die guten Umfragewerte für Kurz und die ÖVP, die derzeit an der absoluten Mehrheit kratzt, mehr als skeptisch.