Dr. Deepfake hilft bei rascher Diagnose
Künstliche Intelligenz kann bei der medizinischen Bildverarbeitung die Erkennung von krankhaftem Gewebe beschleunigen.
Mit Deepfake wird geblödelt oder gehetzt oder längst verstorbenen Leinwandstars wie James Dean zu neuem Filmleben verholfen. Man kann über diese mit künstlicher Intelligenz manipulierten Bilder oder Videos schmunzeln und sich gleichzeitig vor ihnen und ihren Folgen für Gesellschaft und Politik fürchten. Deepfake kann in Videos Gesichter vertauschen und Politikern Worte in den Mund legen, die sie nie sagten, oder Popstars in Pornoszenen einbauen. Mit Deepfake geht somit eine große Gefahr für die Glaubwürdigkeit von Bewegtbildern einher, die Diskussion darüber ist deswegen vor allem mit negativen Vorzeichen besetzt.
Nicht so am Studiengang Informationstechnik & System-Management der Fachhochschule Salzburg. „Wir verwenden eine ähnliche Technik zur medizinischen Bildverarbeitung mit dem Ziel der Verbesserung von Diagnosen in der Medizin“, erklärt der in diesem Bereich forschende Senior Lecturer Michael Gadermayr im Gespräch mit den „Salzburger Nachrichten“.
Ziel dieser Forschungsarbeiten ist die Lösung medizinischer Fragestellungen mithilfe künstlicher Intelligenz,
um beispielsweise Deepfake-Technologien zur Erkennung von krankem Körpergewebe wie Tumoren nutzbar zu machen. Konkret fokussiert die Forschung von Gadermayr auf die automatisierte Verarbeitung von Bilddaten in der digitalen Pathologie. Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, Ärzte zukünftig bei visuell anspruchsvollen Diagnosen zu entlasten: „Für die Diagnostik, beispielsweise von Krebserkrankungen, fallen immense Datenmengen an. Die mikroskopischen Bilder besitzen beispielsweise Auflösungen im Bereich von bis zu mehreren Gigapixel.“
Eine gründliche manuelle Analyse dieser Daten unter Einbeziehung aller beinhaltenden Informationen ist extrem zeitaufwendig oder gar nicht machbar – hier kann die Datenvorverarbeitung durch künstliche Intelligenz wichtige Unterstützung leisten. „Mit Detektion (Aufspüren), Segmentierung (Zerlegung) und Vermessung von relevanten Gewebebereichen können wir eine zeiteffiziente datengetriebene Analyse vornehmen“, sagt der Forscher.
Der gebürtige Oberalmer hat sich seit seiner Dissertation im Fach Informatik an der Universität Salzburg und weiteren Forschungsarbeiten
an der RWTH Aachen auf die medizinische Bildverarbeitung spezialisiert. Jetzt ist er federführend am Aufbau dieser Forschung an der FH Salzburg beteiligt. Das Forschungsprojekt „Künstliche Intelligenz zur Analyse medizinischer Bilddaten (KiaMed)“, das er gemeinsam mit der Studiengangsleiterin für Biomedizinische Analytik, Geja Oostingh, an der FH durchführt, wurde vor Kurzem über die Landesförderung genehmigt.
Innovative bildgebende Verfahren können die Analyse von medizinischen Bilddaten und damit in Folge die Diagnostik revolutionieren, Diagnosegenauigkeit und Patientensicherheit fördern. Bei KiaMed ersetzt künstliche Intelligenz die manuelle Dateneingabe von Medizinern – das spart Zeit und Kosten. Die Präzision der pixelgenauen Analyse medizinischer Bilddaten durch künstliche Intelligenz hängt aber maßgeblich mit der Verfügbarkeit von Trainingsdaten zusammen. „Unser Fokus liegt dabei auf
Daten aus der Magnetresonanztherapie (MRT), Computertomographie (CT) und Histologie“, sagt Gadermayr. „Der Vorteil dieser Modalitäten ist, dass sie stark standardisiert sind. Das macht die Daten aus verschiedenen Kliniken besser vergleichbar, was dann wichtig für die Diagnostik ist.“
Denn eine große Hürde ist die Vielgestaltigkeit der Daten. Im Vergleich zum Menschen können die Maschinen aber strukturelle Unterschiede zwischen Trainings- und Testdaten nicht durch „natürliche Intelligenz“ausgleichen. „Der Computer ist relativ dumm, was Verallgemeinerung betrifft“, sagt der Forscher.
Die künstlichen neuronalen Netze brauchen deswegen Training: „Zu diesem Zweck bedienen wir uns derselben Technologie wie Deepfake.“Ein Belohnungs- bzw. Bestrafungssystem trainiert die Netze, damit sie täuschend echt ausschauende Bilder erzeugen oder diese trotz ihrer Ähnlichkeit unterscheiden können. Damit erzeugt man virtuelle pathologische Schnittbilder, die wie Originalbilder verarbeitet werden können und die Diagnosegenauigkeit verbessern.
Dabei wird auch mit Medizinern in der Region, wie den Spezialisten am Landeskrankenhaus Salzburg oder dem Kardinal-SchwarzenbergKlinikum in Schwarzach, zusammengearbeitet. Die Ärzteschaft sei mittlerweile sehr offen gegenüber der medizinischen Bildverarbeitung mithilfe künstlicher Intelligenz.
Es bestehe auch keine Gefahr, sagt Gadermayr, dass „Dr. Deepfake“den Ärzten in absehbarer Zukunft Arbeit oder Expertise wegnimmt: „Unser Ziel ist nicht, die Mediziner zu ersetzen, sondern die Effizienz und Genauigkeit der Diagnostik durch computergestützte Methoden zu erhöhen. Von einer Zeit, in der es keine Ärzte mehr braucht und man nur mehr zur Maschine gehen muss, sind wir noch sehr weit entfernt.“